Fischer, Reinhold Lothar Werner, Chemiker

*21.08.1902 Elberfeld (heute Stadtteil von Wuppertal). Ev. +16.08.2001 Freiburg i. Br.

V Reinhold Lebrecht F. (1867-1929), Ingenieur

M Marie Charlotte Henriette, geb. Clement (1877-)

G keine?

1 22.05.1931 (Breslau) Eleonore Herrmann (1904-1973). 2∞ 1981 (Innsbruck, Österreich) Barbara Gebauer

K keine

             1912 – 1921                    Besuch des Reform-Realgymnasiums in Köln-Mülheim. Abitur Ostern 1921

             1921 V – 1925 III             Chemiestudium an d. TH Hannover. 1923 Vordiplom. Abschluss mit dem Diplomexamen „mit Auszeichnung“ u. Erlangen des Grads Dipl.-Ing.

              1925 IV – 1927          Vorlesungsassistent u. Doktorand am Institut für Anorganische Chemie ebd.

              1927                                       Promotion zum Dr.-Ing.: „Über die Verwandtschaft von Chlor u. anderen Halogenen zum Golde“

              1927 – 1933 X                        Forschungs- u. Verwaltungsassistent, zuletzt Unterrichtsassistent ebd.

1932 II                                    Habilitation für Fach „Anorganische Chemie“ mit d. Schrift „Über thermische Eigenschaften von Halogeniden“

             1933 XI – 1944 III                   planmäßiger a. o. Professor für anorganische u. analytische Chemie an d. Univ. Freiburg

             1944 IV – 1968                       o. Professor u. Direktor des Instituts für anorganische Chemie an d. TH (seit 1956 Universität) Hannover

             1949 – 1950                           Dekan d. Fakultät für Natur- u. Geisteswissenschaften; 1950-1954 Prodekan u. Leiter d. Chemischen Abteilung d. Fakultät

             1949 – 1968                           Mitherausgeber d. „Zs. für anorganische u. allgemeine Chemie“

              1953 – 1968                           Mitherausgeber d. internationalen Zs. „Analytica chimica acta“

             1961 – 1965                           Vertreter Deutschlands im „Analytical Section Commitee“ of the International Union of Pure and Applied Chemistry

1968                                       Emeritierung und Umzug nach Freiburg

Ehrungen: Festhefte d. Zs für anorganische u. allgemeine Chemie u. d. Zs. für analytische Chemie (1962); Alfred-Stock-Gedächtnispreis (1964); Dr. rer. nat. h. c., Univ. Gießen (1966)

F., ein bescheidener Mensch und origineller Chemiker, brachte wesentliche Beiträge ein zur Entwicklung der anorganischen und analytischen Chemie, sowie der Grundlagen der Trennungsverfahren in der chemischen Industrie, insbesondere durch die bahnbrechende Erfindung eines neuen Verfahrens zur Trennung von Stoffgemischen.

F. wurde als Sohn eines Ingenieurs der Firma Bayer, Reinhold F.. in Elberfeld (heute Stadtteil von Wuppertal) geboren. Nach einem Jahr Privatunterricht und drei Jahren Vorschule besuchte er von der Sexta bis zur Oberprima das bekannte Reformrealgymnasium in Köln-Mülheim (heute Rhein-Gymnasium). Der Unterricht in Mathematik und Naturwissenschaften war in diesem Gymnasium sehr gut, was F. große Hilfe beim Studium brachte.

Sein Studium begann F. ab SS 1921 an der TH Hannover.

Von vier chemischen Fachrichtungen, die an der TH unterrichtet wurden – anorganische, organische, physikalische und technische Chemie – erschien für F. die anorganische Chemie als die interessanteste. Ab 1921 leitete den Lehrstuhl und das Institut für anorganische Chemie Wilhelm Biltz (1877-1943), nach späterer Charakteristik F.s ein „Forscher, der durch die Kraft seiner Persönlichkeit in ungewöhnlicher Weise formend auf den Nachwuchs gewirkt hatte“ (1949, Wilhelm Biltz, LXXXIX). So wählte F. anorganische Chemie für seine Diplomarbeit und verschrieb sich damit diesem Fach. Als Thema gab ihm Biltz eine Untersuchung des binären Systems CuCl-CuCl2. F. fiel auf als geschickter Experimentator, gewann das Vertrauen von Biltz und nach dem „mit Auszeichnung“ bestandenen Diplomexamen wurde er durch ihn als Vorlesungsassistent eingestellt. Biltz‘ wohldurchdachten Vorlesungen wurden durch nicht sehr zahlreiche, jedoch eindrucksvolle Experimente erläutert, „an deren präzise Vorbereitung er höchste Anforderungen stellte. Die Tätigkeit des Vorlesungsassistenten bedeutete eine harte, aber ungemein lehrreiche Schule, an die jeder mit Dankbarkeit zurückdenkt, der <…> das Glück hatte, jenes Amt versehen zu können“ (ebd., CI).

Gleichzeitig fertigte F. seine Doktorarbeit an, mit der er 1927 promovierte. Danach setzte er seine Arbeit bei Biltz fort, nun als Forschungs- und Verwaltungsassistent. Biltz mit seinem Arbeitskreis erforschte gründlich insbesondere systematische Verwandtschaftslehre in der Chemie und „Raumchemie der festen Stoffe“. Die Forschung wurde auf breiter Basis betrieben, wobei sehr viele Stoffklassen und ihre Reaktionen bei hohen und niedrigen Temperaturen und Drücken durch verschiedene physikalische und chemische Methoden untersucht wurden. F. beteiligte sich an beiden Forschungsgebieten, hauptsächlich am ersten, indem er Untersuchungen über Aluminiumhalogenide, ihre Stabilität bei verschiedenen Temperaturen und Drücken, sowie ihre thermischen Eigenschaften durchführte. Diese Untersuchungen begründeten seine Habilitationsschrift, mit der er im Februar 1932 sich habilitieren konnte.

Aus dieser Zeit stammt F.s einmaliger Beitrag zur chemischen Nomenklatur – der Begriff „Chalkogene“ (=Erzbildner) für die Elemente der sechsten Hauptgruppe des Periodischen Systems (O, S, Se, Te), ähnlich wie der Begriff „Halogene“ (=Salzbildner) für die Elemente der siebenten Hauptgruppe (F, Cl, Br, J) vor fast hundert Jahre eingeführt worden war. Seitdem ging der Begriff in die chemische Literatur der Welt ein.

Außer Biltz hatte auch Wilhelm Klemm (1896-1985), Privatdozent, ab 1929 Extraordinarius am Institut, den wissenschaftlichen Werdegang von F. beeinflusst. Ihm verdankte F. viele Anregungen; 1931 verschwägerte sich F. mit Klemm: Er heiratete die Schwester von dessen Frau. Klemm untersuchte insbesondere die Seltenerdenmetalle (Elemente des Periodensystems von Nr. 57, Lantan, bis 71, Lutetium). Diese Metalle verhalten sich, aufgrund besonderer Elektronenstruktur ihrer Atome, chemisch außerordentlich ähnlich. Dies erzeugte Klemm viele Schwierigkeiten. Eben diese Schwierigkeiten, erzählte F., ließen bei ihm „den Plan reifen, nach effektiveren Verfahren zur Trennung von solch extrem ähnlichen Elementen zu fahnden“ (Bock, 2004, 17). Dieses Problem prägte die spätere Forschungsarbeit F.s.

Inzwischen wurde in Freiburg, aufgrund des Weggangs von Eduard Zintl (→VI, 441) das planmäßige Extraordinariat für anorganische und analytische Chemie zum WS 1933/1934 vakant. Nach dem Vorschlag von H. Staudinger (→II, 265) und G. v. Hevesy (→BWB IV, 143) wurde F. auf diese Stelle berufen. Seine Verpflichtungen schlossen Vorlesungen über spezielle anorganische Chemie (zweisemestriger Kursus) und Praktika für Anfänger ein. Er hatte auch die Ausbildung in qualitativer und quantitativer Analyse zu gestalten.

F. musste mit ziemlich ungünstigen Verhältnissen anfangen, denn das ganze Chemische Laboratorium (Institut) war unter Staudinger auf die organische Chemie ausgerichtet. Die anorganische Abteilung hatte nahezu keine Apparatur und die Arbeitsräume waren eng.

Jedoch gerade in die Freiburger Zeit fielen die bedeutendsten Leistungen F.s. Wie er später formulierte: „Mangel macht erfinderisch“ (Bock, 2004, 19). Da im Labor meistens Reagenzgläser zur Verfügung standen, nutzte F. diese Tatsache, sie für Trennungen bei Analysen anorganischer Stoffgemische zu verwenden. Sein Ansatz bestand in selektiver Extraktion von einigen in Wasser gelösten Verbindungen durch organische Lösungsmittel, die mit Wasser nicht mischbar sind. Schon die ersten Versuche erwiesen sich als fruchtbar. Dann entschied F., diesen Aufsatz für das wohl schwierigste Trennungsproblem der anorganischen Chemie, die Trennung von Seltenerdenmetallen zu verwenden. Das entscheidende Experiment, die Trennung des Samariums von Gadolinium mit einer Folge von 25 Verteilungsstufen, wurde Anfang 1937 erfolgreich durchgeführt. Das Verfahren wurde unverzüglich als Patent angemeldet. (Der Text dieses Schlüsselpatents, DRP 752865, 1937/1944, der nie publiziert wurde, ist nun bei Bock, 2004, 67-80, zugänglich).

Sofort nach der Patentanmeldung richtete F. eine Zuschrift an die Zeitschrift „Die Naturwissenschaften“, wo er das allgemeine Prinzip klar formulierte: „Die Trennung eines Stoffgemisches durch fraktionierte Verteilung zwischen zwei nicht oder nur teilweise mischbaren flüssigen Phasen hat grundsätzlich Vorteile vor der Trennung durch fraktionierte Kristallisation oder Fällung; insbesondere lässt sich die fraktionierte Verteilung unter Benutzung von Fraktionierkolonnen oder dgl. kontinuierlich gestalten, die Einstellung des Gleichgewichtes zwischen zwei flüssigen Phasen erfolgt rascher, und es fehlen dabei Störungen durch Adsorption“ (1937, mit Dietz und Jübermann). Auch seine Vorlesung über analytische Chemie gestaltete F. jetzt neu, indem er Kapitel über „Sondermethoden“ hinzufügte.

Allmählich konnte F., dank der Unterstützung von Seiten der Industrie auch seine hannoverischen Forschungsarbeiten fortsetzen und erweitern. Eine zielführende Leistung hier war eine neue scharfsinnig ausgedachte Methode zur Dampfdruckmessung bei hohen Temperaturen, die insbesondere für solche Verbindungen geeignet ist, die Glas und Quarz angreifen (1939, mit Gewehr u. Wingchen). Die Methode, unter der Bezeichnung „Glockenverfahren“, wurde immer weiter verwendet (1964, mit Petzel; 1970, mit Lange).

F.s Erfahrungen in der Chemie des Aluminiums erlaubten ihm, die Unterstützung der Aluminiumindustrie zu erhalten und nach dem Kriegsausbruch seine Arbeiten auf diesem Gebiet als „kriegswichtig“ darzustellen. Sie wurden mit Unterstützung des Reichswirtschaftsministeriums durchgeführt. Später kam dazu auch ein Auftrag der Luftwaffe. Es handelte sich insbesondere um Analysen von Aluminiumlegierungen, Darstellung von reinen Aluminiumsalzen und Verhalten von Schmelzen von deren Mischungen.

Im Oktober 1942 erhielt F. ein Angebot des Erziehungsministeriums, den vakanten Lehrstuhl für anorganische Chemie an der TH Hannover zu übernehmen. Er antwortete sofort: „Ich werde diesem ehrenvollen und für mich sehr verpflichtenden Rufe sehr gern Folge leisten. <…> gerade dort dürften die sachlichen Voraussetzungen zur Fortführung meiner Forschungsarbeiten sehr günstig sein“ (UA Freiburg, B 24/811). Jedoch, ganz unerwartet, teilte man aus Berlin mit, dass das Angebot ungültig sei und dass ihm anstatt Hannover ein Lehrstuhl in Brünn vorgeschlagen würde. F. vermutete, mit guten Gründen, dass die „gewisse Animosität“ (ebd., Brief F.s an Rektor vom 19.06.1943) der Machthaber gegen W. Biltz und dessen Schule dahinter stünde: Denn Biltz nahm kein Blatt vor den Mund bezüglich der „neuen Ordnung“ und F. versuchte beim Besuch eines Ministerialrats, der ihn über Biltz befragte, seinen Lehrer vorsichtig zu verteidigen. Er geriet dadurch selbst in Ungnade.

Hier ist zu betonen, dass F. sich mit seinem Lehrer eng verbunden fühlte. Ihm widmete er nicht nur einen rührenden Nachruf (1949), sondern auch einen interessanten Artikel in der Festschrift der Hannoverschen Hochschule (1981). Es war F., der auf Wunsch von W. Biltz und dessen Bruder Heinrich (1865-1944) ihre standardgewordenen Praktikumsbücher Jahrzehnte lang für weitere Ausgaben neubearbeitete. (So schrieb ein Rezensent: „Die ‚Experimentelle Einführung in die anorganische Chemie‘ hat in 60 Jahren 50 Auflagen erlebt und ist dank der sorgfältigen Überarbeitung stets modern geblieben“ (R. Nast, Angewandte Chemie 72, 1960, 286)).

Durch die Absage seiner Berufung nach Hannover war F. sehr verärgert. Er überlegte schon, ob er besser in die Industrie wechsle, deren verlockende Angebote er bisher mehrmals abgelehnt hatte. Die Hannoversche TH blieb aber beharrlich und die Universität unterstützte F.. Staudinger schrieb in seinem Gutachten vom 26.06.1943, dass „F. zu den führenden jüngeren Anorganikern zu rechnen ist <…>. Da ich Arbeiten von Herrn Professor F. sehr hoch schätze, so hatte ich schon immer die Hoffnung, dass derselbe das Ziel der akademischen Laufbahn, nämlich eine Leitung eines größeren chemischen Institutes erreichen würde. Ich habe deshalb seine Berufung nach Hannover außerordentlich begrüßt, so ungern ich diesen wertvollen Mitarbeiter vom hiesigen Institut fortziehen lasse“ (ebd.).

Letztendlich konnte F., nach anderthalbjährigen Verhandlungen, die Stelle seines Lehrers übernehmen. Aber er sollte nicht auf die erwarteten Forschungsmöglichkeiten treffen: Im Laufe des Kriegs wurden die chemischen Institute stark beschädigt. F. konnte Räume im Schloss in Münden (heute Hannoverisch Munden) erhalten, wo er mit Mitarbeitern seine kriegswichtige Arbeiten über Aluminium fortsetzte.

Nach dem Kriegsende wurde der Unterricht an der TH bereits Ende 1945 wieder aufgenommen. Wegen schwerer Schäden hatte F. nur wenige kleine Räume zur Verfügung die wechselweise als Hörsaal oder Laboratorium dienten. Zwei Winter mussten ohne Heizung durchgestanden werden, und man arbeitete „bis das Wasser im Reagenzglas gefror“ (1981, mit Theilacker, 27). Während dieser schwierigen Wiederaufbaujahre wirkte F. als Dekan und später als Leiter der Chemischen Abteilung.

Im Gange des Wiederaufbaus erhielt F. ein Angebot von amerikanischen Behörden, in den USA mit einem Vertrag zu arbeiten. F. lehnte das ab, denn er wollte sein Institut ausbauen und leiten. Um 1952 konnten Forschungsarbeiten wieder richtig durchgeführt werden.

Bereits im September 1946 beteiligte F. sich an der Tagung der Nordwestdeutsche Chemiker in Göttingen, wo die Gründung einer „Gesellschaft Deutscher Chemiker in der britischen Zone e. V.“ mit Sitz in Göttingen stattfand. Diese entwickelte sich später zur bundesweiten Gesellschaft Deutscher Chemiker. F. hielt bei dieser Tagung den Vortrag über „Trennung des Zirkoniums vom Hafnium durch Verteilung zwischen zwei Lösungsmittel“ (Angewandte Chemie 59, 1947, 20 u. 22).

Im Juni 1948 nahm F. am Internationalen Kongress für analytische Chemie in Utrecht teil. Anschließend wurde er Mitherausgeber der neuen internationalen Zeitschrift „Analytica Chimica Acta“.

Im September 1951 hielt F. einen Plenarvortrag auf der Hauptversammlung der Gesellschaft Deutscher Chemiker: „Über Fortschritte und Probleme der analytischen Chemie“. Er begründete insbesondere die Thesen, „dass man die analytische Chemie heute als selbständige Disziplin ansehen muss“ (1952, 180) und dass aber „der Mangel an geeigneten Ausbildungsstellen in krassem Missverständnis hierzu steht“ (ebd., 179). F. schloss mit der bedeutungsvollen Passage: „Wenn aber diese Gefahr gebannt werden kann, so wird die analytische Chemie an den Hochschulen den ihr in Zukunft gestellten Aufgaben nur gerecht werden können, wenn sie sich nicht den Problemen des Tages verschreibt, sondern wenn sie grundlegende und systematische Forschung betreibt. So wie die Mathematik aus eigenem Antrieb Neues schuf, das Jahreszehnte später für die Physik unerwartete fundamentale Bedeutung erlangte, so sollte die analytische Chemie als selbständige Wissenschaft neue Wege suchen, auf denen dann später die anderen Zweige der Chemie, die Technik und die Biologie, zu jetzt noch unbekannten Zielen vorstoßen können“ (ebd., 187).

Dementsprechend stellte die Analytische Chemie eines der wichtigsten Forschungsgebieten des Instituts für Anorganische Chemie in Hannover dar, wobei der Schwerpunkt hier in Spurenanalyse lag: Die Entwicklung neuer Technologien in den Nachkriegsjahren stellte erhöhte Anforderungen bezüglich Reinheit verschiedener Metalle und Stoffe. „Die Bestimmungen spurenhafter Beimengungen“ gewannen deswegen nicht nur wissenschaftliches Interesse, sondern „geradezu ausschlaggebende Bedeutung“ für manche technische Probleme, schrieb F. (F. u. Werner, 1948, 129). So wurde die Erarbeitung entsprechender analytischer Verfahren zu einer stetigen Forschungsrichtung des Instituts von F..

Die analytischen Arbeiten hatten nicht nur selbständige Bedeutung, sondern dienten auch der Unterstützung des Hauptforschungsgebiets des Instituts – der Chemie der seltenen Elemente, besonders Seltenerdenmetalle. Hier lag der Schwerpunkt in der Erarbeitung von Verfahren zur Trennung und Reinigung anorganischer Stoffe, insbesondere Seltenerdelemente: Obwohl das Prinzip schon lange bekannt war dank früheren Arbeiten, mussten die richtige Lösungsmittelpaare für jedes Stoffgemisch gefunden werden. Alle weiteren Patente F.s mit Mitarbeitern, insgesamt 17, waren solchen konkreten Verfahren gewidmet. Bereits 1950 besaß das Institut mehrere Apparate zur vielstufigen Flüssig-Extraktion. Dabei wurden, wie bei der Zirkonium-Hafnium-Trennung, nicht nur Arbeitsweisen entwickelt, die in die Industrie eingingen, sondern auch Zahlenwerte für Trennungsfaktoren ermittelt, u.a. durch Neutronenaktivierung, sowie durch radioaktive Indikatoren, welche eine rechnerische Behandlung der Probleme möglich machten. In den 1950-er und 1960-er Jahren wurden unter F.s Betreuung über vierzig Doktorarbeiten durchgeführt.

1968 emeritierte F.. Nun kehrte er nach Freiburg zurück. Er behielt sein Interesse für das Universitätsleben und nahm „als gerngesehener Gast“ (Thiele, 2007, 202) an verschiedenen Veranstaltungen teil. Gelegentlich publizierte er kurze, aber interessante Artikel, so 1981 – über einige Präzisierungen der chemischen Nomenklatur (er gehörte mehrere Jahre lang zum „Arbeitsausschuss Chemische Terminologie“ des Deutschen Instituts für Normung (DIN)); 1987 – über die Geschichte der Trennung von Seltenerdelementen, 1993 – über Möglichkeiten der Schulzeitkürzung, ohne auf die „wichtigste zur Erlangen der Studierfähigkeit“ 13. Gymnasialklasse zu verzichten.

F. starb in hohem Alter wenige Tage vor seinem 99. Geburtstag und vor Erscheinen seiner letzten Publikation, deren Korrektur er noch selbst lesen konnte. Kein Nachruf erschien für ihn. Sein ehemaliger Schüler und Mitarbeiter Rudolf Bock verfasste jedoch eine kleine, aber inhaltsreiche Monographie über sein Leben und Werk (Bock, 2004).

Von F. stammen etwa 90 Publikationen und 18 Patente. Seine bedeutendsten Beiträge zur Chemie zielen in zwei verschiedene Bereiche. Einerseits wirkte F. als direkter Nachfolger des Werks seines Lehrers Biltz, dessen Verwandtschaftsuntersuchungen er fortsetzte: Mit seinen Mitarbeitern erforschte F. systematisch Halogenide, insbesondere durch Dampfdruckmessungen. Insgesamt wurden Dampfdruckkurven für 32 Halogenide von 13 Elementen gemessen. Diese Daten finden sich in Nachschlagwerken.

Andererseits bildeten die Arbeiten über die Trennung von anorganischen Stoffen durch Verteilung zwischen zwei flüssigen Phasen seinen bedeutenden Beitrag zur analytischen, präparativen und technischen Chemie. Das Schaffen des Trennungsverfahrens, das noch heute verwendet wird, insbesondere bei der Darstellung von Seltenerdenmetallen, verwandelte letztere aus Raritäten zu Werkstoffen der modernen Hochtechnologien. Dies ist das große Verdienst F.s.

Q UA Freiburg: B 24/811, Personalakte F.; B 133/127; NSD-Dozentenbund, Fragebogen F.

Auskünfte aus dem: StadtA Wuppertal vom 12.09.2016, StadtA Hannover vom 13.09.2016; StadtA Freiburg vom 19.09.2016; StadtA Leverkusen vom 28.09.2016

W (mit W.Biltz) Über das System Cupro/Cuprichlorid, in: Zs. für anorganische u. allgemeine Chemie 166, 1927, 290-298; (mit W.Biltz), Über die Verwandtschaft von Chlor u. anderen Halogenen zum Golde, ebd. 178, 1928, 81-111; Molekulargewichtsbestimmungen vermittels d. Horstmann’schen Kombinierung von Dampfdruckmessungen. Die Molekulargröße von Goldchlorid, ebd. 184, 1929, 333-344; (mit A. Lemke) Die Molekularvolumina einiger Silber- u. Kaliumsalze von einbasischen Fettsäuren, in: Zs. für physikalische Chemie A 151, 1930, 56-64;

Schmelzwärmen u. Molekularwärmen von Aluminiumhalogeniden, in: Zs. für anorganische u. allgemeine Chemie 200, 1931, 332-342; (mit O. Bahles) Dampfdrucke u. Dampfdichten von Aluminiumhalogeniden, ebd. 205, 1932, 1-41; Einfluß d. Konstitution auf Schmelzpunkte, Siedepunkte, Verdampfungswärmen u. Volumina von Halogeniden, ebd. 211, 1933, 321-348; Bemerkungen über die Fähigkeit von Halogeniden, im Dampf polymere Moleküle zu bilden, ebd. 213, 1933, 97-105; (mit W. Weidemann) Die Gasdichte von BF3, SiF4 u. GeF4 bei Zimmertemperatur u. in d. Nähe des Siedepunkts, ebd., 106-114; (mit R. Gewehr) Schmelz- u. Siedepunkte u. Polarisationseffekte bei den Manganiden-Halogeniden, ebd., 222, 1935, 303-311; (mit O. Jübermann) Dampfdrucke u. Dampfdichten von Gallium III-Halogeniden, ebd. 227, 1936, 227-236; (mit W. Dietz, K. Brünger, H. Grieneisen) Zur qualitativen Analyse d. Ammoniak- u. Schwefelammoniumgruppe u d. Phosphorsäure, in: Angewandte Chemie 49, 1936, 719-731;

(mit W. Dietz u. O. Jübermann) Ein neues Verfahren zur Trennung d. seltenen Erden, in: Naturwissenschaften 25, 1937, 348; (mit K. Brünger u. H Grieneisen) Über das metallische Scandium, in: Zs. für anorganische u. allgemeine Chemie 231, 1937, 54-62; (mit O. Jübermann) Über Phosphorpentachlorid u. Aluminium-Phosphor-Chlorid AlPCl3, ebd. 235, 1938; 337-351; (mit R. Gewehr u. H. Wingchen) Über eine neue Anordnung zur Dampfdruckmessung u. über die Schmelzpunkte u. Sättigungsdrucke von Skandium-, Thorium u. Hafniumhalogeniden, ebd. 242, 1939, 161-187; Über Schmelz- u. Siedepunkte d. Elemente, in Journal für praktische Chemie 158, 1941, 200-210; (mit W. Seidel) Die Fällung von AlCl3.6H2O aus ätherisch-wässriger Salzsäure u. ihre Bedeutung als Trennungsoperation, in: Zs. für anorganische u. allgemeine Chemie 247,1941, 333-366; Über das Lösevermögen von Salzsäure für Chloride, ebd., 384-391; (mit R. Bock) Die Darstellung reiner Scandiumverbindungen, ebd. 249, 1942, 146-197; (mit E. Burger) Über das Verhalten des Systems Al2O3/SO2/H2O bei tieferen Temperaturen u. über ein neues kristallisiertes Aluminiumsulfit, ebd. 251, 1943, 355-368: (mit E. Burger) Über die Einwirkung von überhitzem Wasser auf hochbasische Aluminiumsulfite, ebd., 369-375; (mit M. Zumbusch) Über die Trennung des Zirkoniums u. Hafniums vom Aluminium, in: Zs. für anorganische Chemie 252, 1944, 249-255; (mit W. Chalybaeus) Über die Trennung anorganischer Stoffgemische durch Verteilung zwischen zwei Lösungsmitteln: Die Trennung des Hafniums vom Zirkonium durch Verteilung, ebd. 255, 1947, 79-100; (mit W. Chalybaeus u. M. Zumbusch) Die präparative Gewinnung reiner Hafniumverbindungen durch Verteilung, ebd. 255, 1948, 277-286; (mit J. Werner) Über die Bestimmung kleinster Beryllium-Gehalte auf chemischen Wege, in: Angewandte Chemie 60, 1948, 129-133; (mit H. Keim) Untersuchungen zur analytischen Bestimmung von Germaniumspuren, in: Zs. für analytische Chemie 138, 1948, 443-450; Trennung u. Darstellung d. Elemente, in: Naturforschung u. Medizin in Deutschland 1939-1946, Bd. 23: Anorganische Chemie, 1949, 26-47; Wilhelm Biltz, 1877-1943, in: Chemische Berichte 82, 1949, LXXXIX-CXIII; (mit J. Wernet u. M. Zumbusch) Über die Löslichkeit d. Chloride d. seltenen Erden in Salzsäure als Grundlage neuer Trennungsmöglichkeiten, in: Zs. für anorganische Chemie 258, 1949, 157-161; (mit E. Bock) Über Aluminiumfluorid-Hydrate, ebd. 261, 1950, 54-60; (mit W. Theilacker) Der Stand von Unterricht u. Forschung in den chemischen Instituten, in: Jahrbuch d. TH Hannover 1949/50, 1950, 27-30; (mit O. Jübermann) Vollautomatische Apparatur zur fraktionierten Gleich- u. Gegenstromverteilung zwischen zwei flüssigen Phasen, in: Chemie-Ingenieur-Technik 23, 1951, 298-300; (mit O. Steinhauser u. E. Hohmann) Über die Bestimmung kleiner Scandiumgehalte auf chemischem Wege, in: Zs. für analytische Chemie 133, 1951, 57-72; Die Trennungen, in: Naturforschung u. Medizin in Deutschland 1939-1946, Bd. 29 Analytische Chemie, 1952, 28-34; Über Fortschritte u. Probleme d. analytischen Chemie, in: Angewandte Chemie 64, 1952, 179-187; (mit W. Harre, W. Freese u. K.-H. Hackstein) Bestimmung von Arsen u. Germanium nach ihrer Abtrennung durch Verteilen, ebd. 66, 1954, 165-170; (mit R. Paul u. H.-J. Abendroth) Über die Abtrennung kleiner Phosphorsäuremengen von Eisen u. Vanadin durch Verteilung u. durch Ionenaustausch, in: Analytica chimica acta 13, 1955, 38-45; (mit A. Kulling) Über die Wechselwirkung von Elektrolytlösungen u. γ-Al2O3, in: Zs. für Elektrochemie 60, 1956, 680-688; Anorganische u. analytische Chemie, in: Festschrift zur 125-Jahresfeier d. TH Hannover 1831-1956, 1956, 82-85; (mit J. Müller u. K. E. Niemann) Über die Trennung d. Seltenen Erden durch fraktionierte Fällung ihrer Carbonate, in: Zs. für anorganische u. allgemeine Chemie 282, 1956, 63-79; (mit K. E. Niemann) Über die Gewinnung von reinem Yttriumoxyd, ebd. 283, 1956, 96-110; (mit Th. Petzel) Sättigungsdruckmessungen an einigen Metallhalogeniden nach dem „Glockenverfahrung“, ebd. 333, 1964, 226-234; (mit K. H. Grothe) Untersuchungen mit einer Apparatur zur Röntgenfluorescenzspektralanalyse im Mikromaßstab, in: Zs. für analytische Chemie 204, 1964, 161-172; Alte u. neue Verfahren d. multiplikativen Verteilung, in: Chemie-Ingenieur-Technik 36, 1964, 85-99; (mit Mitarbeitern) Grundlagen u. Entwicklung des Verfahrens zur Trennung d. Elemente Zirkonium u. Hafnium durch Verteilen ihrer Thiocyanate, in: Angewandte Chemie 78, 1966, 19-27; (mit K. Biesenberger, W. Böhmer u. K. Reinhardt) Bestimmung sehr kleiner Hafniumgehalte in Zirkoniumdioxidpräparaten mittels Röntgenspektralanalyse nach Anreicherung durch einen Verteilungsprozess, in: Zs. für analytische Chemie 216, 1966, 61-65; (mit K. Reinhardt) Notiz über die Herstellung von Na2S2O7 aus NaHSO4.H2O, ebd. 241, 1968, 31f.; (mit R. Lange) Sättigungsdruckmessungen an Scandiumfluorid nach dem „Glockenverfahren“, in: Zs. für anorganische u. allgemeine Chemie 379, 1970, 165-168; Wilhelm Biltz, ein Wegbereiter der modernen anorganischen Chemie, in: Universität Hannover 1831-1981. Festschrift zum 150jährigen Bestehen, Bd. 1, 1981, 176-179;

Mol, Stoffmenge u. SI [Internationales Einheitssystem], in: Nachrichten aus Chemie, Technik u. Laboratorium 29, 1981, 225f.; Necessity is the mother of invention, in: K. A. Gschnedner u. J. Capellen (Eds.), 1787-1987, Two hundred years of rare earths, 1987 (https://www.ameslab.gov/files/TwoHundredYearsRE.pdf), 9f.; Eine Alternative zur Streichung des 13. Schuljahrs, in: Mitteilungen des Hochschulverbandes 41, 1993, 332: A second note on the term „Chalcogen“, in: Journal of Chemical Education 78, 2001, 1333.

Bearbeitungen und Neuherausgaben: (mit W. Klemm) H. Biltz, Experimentelle Einführung in die Anorganische Chemie, 211937 – 731986; W. Biltz, Ausführung qualitativer Analysen, 91943 – 161976; W. Biltz, Ausführung quantitativer Analysen, 61952 – 81960.

L Poggendorffs Biographisch-literarisches Handwörterbuch, VI, Teil 2, 1937, 755;, VIIa, Teil 2, 1958, 62f.; VIII, Teil 2, 2002, 1185f.; Lexikon bedeutender Chemiker, 1988, 148; Anonym, Wer ist’s? W. F., in: Nachrichten aus Chemie u. Technik 10, 1962, 248 (B); O. Jübermann, R. Bock, Professor Dr. W. F. zum 60. Geburtstag, in: Zs. für analytische Chemie 120, 1962, 1-3 (B); W. Klemm, G. Rienäcker, Professor Dr. W. F. zum sechzigsten Geburtstage, in: Zs. für anorganische u. allgemeine Chemie 317, 1962, 1f. (B); Verleihung des Alfred-Stock-Gedächtnispreises an W. F., in: Nachrichten aus Chemie u. Technik 12, 1964, 288; F. Lynen, H. Kienitz, W. F. 70 Jahre, ebd. 20, 1972, 350; Catalogus Professorum 1831-1981, Festschrift zum 150jährigen Bestehen d. TH Hannover, Bd. 2, 1981, 66 (B); Derselbe Text in: Festschrift zum 175jährigen Bestehen d. Universität Hannover, Bd. 2, 2006, 116 (B); Rudolf Bock, Die Trennung d. Seltenerdelemente u. anderer Gemische. In Memoriam W. F. (1902-2001), 2004;

G. Thiele, Von d. Kuriosität zum Hightech-Wirkstoff: W. F. (1902-2001) u. die Trennung d. Metalle d. Seltenen Erden, in: 550 Jahre Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Bd. 4, 2007, 200-203.

B UA Freiburg, B 133/127: Foto um 1940. Vgl. L