Schönfeld Walther Heinrich Paul, Dermatologe, Venerologe, Medizinhistoriker
*15.05.1888 Gersfeld (Rhön). ev. +26.03.1977 Heidelberg.
V Franz Wilhelm S. (1861-1938), Rentmeister, Rechnungsrat.
M Alma, geb, Pabst (1864-1946).
G 1 Erich (1893-1999?!) Zahnarzt.
∞ 12.04.1921 (Danzig) Hanna Auguste Natalie Brausewetter (1895-1982).
K 2: Jobst Heinrich (1922-2004), Hautarzt; Klaus Dietrich (*1926), Otorhinolaryngologe.
1899 IV - 1906 IX Besuch u. Abschluss des humanistischen Gymnasiums Johanneum zu Liegnitz, Schlesien (heute Legnica, Polen)
1906 X - 1912 I Studium Medizin an den Universitäten Breslau (WS 1906/07), Würzburg (SS 1907- WS 1908/09, WS 1909/10, WS 1910/11, SS 1911), Rostock (SS 1909; gleichzeitig Militärpflicht), München (SS 1910)
1909 IV - IX Einjähriger Freiwilliger bei d. 11. Kompanie des Füsilier-Regiments Nr. 90 in Rostock
1912 I 31 Promotion zum Dr. med. an d. Univ. Würzburg; Diss.: "Rhinitis hyperplastica oedematosa (Seifert)"
1912 XII - 1920 IV Assistent, ab Oktober 1913 - 1. Assistent d. Universitätsklinik u. Poliklinik für Haut- u. Geschlechtskrankheiten, Würzburg
1914 VIII - 1919 VIII Militärdienst: August 1914 - März 1915 als Unterarzt beim 18. Bayerischen Infanterie-Regiment, März 1915 ? April 1916 als Assistenzarzt bei den Sanitäts-Kompanien Nr. 5 u. Nr. 23 der Bayerischen Landwehr; Mai 1916 - August 1919 Chefarzt d. Kriegsstation für Haut- u. Geschlechtskranken des II. Armeekorps in Würzburg; gleichzeitig von Mai 1916 bis Dez. 1918 Vertretung bei d. Leitung d. Universitätshautklinik u. d. Abhaltung d. Vorlesungen
1917 XI 14 Habilitation: H.-Schrift - "Die Untersuchung d. Rückenmarksflüssigkeit, ihre Methoden u. ihre Ergebnisse mit besonderer Berücksichtigung d. Syphilis"; Probevorlesung - "Krieg u. Geschlechtskrankheiten"
1920 V -1922 IV Planmäßiger ao. Prof. für Haut- u. Geschlechtskrankheiten an d. Univ. Greifswald
1922 IV -1935 III o. Prof. ebd.
1926 -1928 Dekan d. Med. Fak.
1929 XII Einweihung d. neuen Universitätsklinik für Hautkrankheiten ebd.
1935 IV - IX 1956 o. Prof. u. Direktor d. Hautklinik an d. Univ. Heidelberg
1949 VIII -1950 VIII Dekan d. Med. Fak.
Ehrungen: Dr. med. h. c. Univ. Greifswald (1956); Mitglied d. Dt. Akad. d. Naturforscher Leopoldina, Halle (1956); Großes Bundesverdienstkreuz (1958); Ehrenmitglied d. Ges. für Wissenschaftsgeschichte (1966).
S.s Vater, als königlich preußischer Rentmeister, wurde oft dienstlich versetzt, so verbrachte S. seine Kindheit nicht in seinem Heimatort, sondern in Rauschenberg bei Marburg, dann in Hoyerswerda, bis die Familie sich in Liegnitz, Schlesien (heute Legnica, Polen) niederließ. Dort besuchte S. eine alte, seit 1708 bestehende Lehranstalt, die sog. Ritterakademie, die später als "Königlich humanistisches Gymnasium Johanneum" bekannt war. Im Gymnasium wurden ihm das preußische Ideal der Pflichterfüllung, sowie die Liebe zu den alten Sprachen, die lapidare Kürze des Lateinischen und die Vorliebe zu klarem und gepflegtem Deutsch eingeprägt. Letzteres fand seinen Ausdruck nach einem Halbjahrhundert in S.s leidenschaftlichen Artikel "Über die Sprachverwilderung in wissenschaftlichen medizinischen Arbeiten" (1954).
Sein Abitur bestand S. im Jahr 1906, ab Herbst begann er sein Medizinstudium, zunächst an der nahegelegenen Universität Breslau. Nach einem Semester wechselte er nach Würzburg, wo er sein Studium abschloss, obwohl er auch einsemestrige Abstecher nach München und Rostock machte. Das Sommersemester 1909 in Rostock nutzte S. auch für die Ableistung der ersten Hälfte seiner Militärpflicht als "Einjähriger Freiwilliger". Anfang 1912 promovierte S. bei Otto Seifert (1853-1933) mit einer Arbeit über Nasenkrankheiten. Anschließend begann er sein Medizinalpraktikantenjahr am Schweinfurter Krankenhaus. Dort "bekam er eine Übersicht über die gesamte praktische Medizin" (S., 1964, 245).
Da S. plante, danach die zweite Hälfte seiner Militärpflicht als Arzt bei der Marine abzuleisten, wozu man Kenntnisse von Haut- und Geschlechtskrankheiten forderte, trat er im Oktober 1912 noch als Medizinalpraktikant in die Würzburger Hautklinik ein. Diese unterstand Karl Zieler (1874-1945), der seit 1909 den neueingerichteten Lehrstuhl für Haut- und Geschlechtskrankheiten leitete. Zunächst hatte S. keine Absicht, sich in diesem Fach zu spezialisieren, aber der Einfluss Zielers änderte sie. Auch die allgemeinen Verhältnisse begünstigten: "Das Fach selbst war im gärenden Aufstieg" (S., 1964, 246). So blieb S. nach Ablaufen seines Praktikantenjahrs als Assistent bei Zieler an der Würzburger Hautklinik. Als sein direkter Lehrer in der Venerologie und auch "Freund fürs Leben" (S., 1964, 246) erwies sich hier Alfred Perutz (1895-1934). Zieler war mit S.s Fleiß, Zuverlässigkeit und Kenntnissen sehr zufrieden und beförderte ihn nach einem Jahr zum Ersten Assistenten. Als Erster Assistent musste S. für die Hautpoliklinik zuständig sein sowie bei Vorlesungen seines Chefs mit Krankendemonstrationen helfen.
Im Sommersemester 1914 machte S. eine wissenschaftliche Reise nach Kiel, um seine Kenntnisse auf dem Gebiet der Röntgen- und Lichtbehandlung zu erweitern und zu vertiefen.
Dass seine einjährige Militärpflicht damit weiter verschoben war, hatte eine glückliche Folge: Mit dem Kriegsausbruch war S. Bayerischer, nicht Preußischer Sanitätsoffizier geworden, was es für Zieler möglich machte, S. 1916 als seinen Vertreter einzusetzen.
Zunächst, ab August 1914 leistete S. seinen Kriegsdienst an der Westfront als Unterarzt, ab 1915 als Assistenzarzt in verschiedenen Infanterie-Regimenten. Anfang Mai 1916 wurde S. durch Gesuch Zielers vom Ministerium beauftragt, neben seinem militärischen Dienst als Leiter der Würzburger Korpsstation für Haut- und Geschlechtskranke auch Zieler in der Abhaltung der Vorlesungen und in der Leitung dessen Klinik zu vertreten. Nach Rückkehr Zielers nahm S. 1919-1920 an den Vorbereitungen für den Neubau der Würzburger Hautklinik teil. Diese Erfahrungen wurden ihm später sehr nützlich.
Die Würzburger Jahre betrachtete S. als seine glücklichsten. Damals, wie er zu sagen pflegte, war "jeden Tag Sonntag gewesen" (Schipperges, 1980, 443). Im Alter erinnerte sich S. dankbar an die harmonische Zusammenarbeit mit den Kollegen und dem Chef. "Wir waren damals alle Junggesellen, alle keine Abstinenten in der Arbeit, aber auch in der 'Gestaltung der Freizeit', wie man heute sagen würde, nur war diese eine homöopathische Verdünnung nach derzeitiger Dosierung" (S., 1964, 247). Kein Zufall, dass S. später alljährliche Würzburg-Fahrten unternahm, auch um sich mit seinen Corpsbrüdern zu treffen - seiner Franconia, in die er als Student eingetreten war, blieb er lebenslang treu.
1920 wurde S. auf die Stelle eines planmäßigen Extraordinariats an der Universität Greifswald berufen, mit der Verpflichtung, eine selbständige Klinik und Poliklinik für Dermatologie einzurichten. Diese Aufgabe war recht schwierig: Im Vergleich mit Würzburg sah seine Klinik mehr als bescheiden aus. Sie litt unter Raummangel, sehr karger Besetzung, war sehr dürftig ausgestattet und die trostlosen wirtschaftlichen Umstände im besiegten Deutschland hinderten die Beschaffung notwendiger Einrichtungen.
"In geradezu unglaublich unzugänglichen Räumen und Arbeitsmöglichkeiten", so das Zeugnis des Kieler Dermatologen Viktor Klingmüller (1870-1942), (UA Heidelberg, H-III-565/1) musste S. die Lehrtätigkeit und seine weiteren Forschungen durchführen. In die Greifswalder Periode fielen mehr als 80 eigener Publikationen und etwa 150 Doktorarbeiten, die er betreute. Gleichzeitig setzte S. zielstrebig und beharrlich den Neubau der Hautklinik durch - nach jahrelangen Bemühungen. Erst 1927 wurde mit dem Bau begonnen. Die Klinik, im Dezember 1929 eingeweiht, diente für Jahrzehnte als Muster für ganz Deutschland: Alles war dort "bis in die letzten Kleinigkeiten zweckentsprechend eingerichtet... nicht nur für die ärztliche und wissenschaftliche Tätigkeit, sondern ganz besonders für die Unterbringung und Behandlung der Kranken" (Zieler, 1935, UA Heidelberg, H-III-565/1).
1934 wurde der Begründer und Leiter der Heidelberger Hautklinik Sigfried Bettmann (1869-1939) als Jude endgültig aus der Universität vertrieben. An seine Stelle nominierte man S.. Die Berufung S.s verlief aber nicht ganz glatt: Während die auswärtigen Fach-Ordinarien in ihren Gutachten S. meistens "primo loco" nannten, waren die Mitglieder der Medizinischen Fakultät eher zurückhaltend, da der Name S. ihnen kaum bekannt sei. Der eifrige nationalsozialistische Leiter der Medizinischen Fachschaft der Universitäts-Junglehrerschaft, Werner Hangartner (1904-1982), der S. persönlich von Greifswald kannte, äußerte sich ganz negativ: S. sei "keine Persönlichkeit in unserem Sinne... Politisch hielt er sich immer zurück... Er ist meines Erachtens sicher kein Hochschullehrer wie wir ihn heute brauchen" (UA Heidelberg, H-III-565/1). Das Reichserziehungsministerium entschied jedoch, S. zu berufen.
Auch in Heidelberg musste S. sich mit dem Aufbau der Hautklinik beschäftigen. Die sieben in sechs Gebäuden zerstreuten Stationen der Klinik konnte er durch Umbauen und Verlegungen in einen geschlossenen Komplex umwandeln, was eine hervorragende Lehr- und Forschungsstätte begründete. Um Mittel dafür zu erhalten, lehnte er 1939 einen Ruf nach Würzburg ab.
Während des 2. Weltkriegs wurde S. als dem Stabsarzt der Reserve das Heidelberger Reserve-Lazarett Nr.309 für Haut- und Geschlechtskrankheiten vertraut; ins Feld musste er nicht.
S. war eindeutig deutsch-national gesinnt. Gegenüber der NS-Diktatur blieb er ganz zurückhaltend, ja ablehnend. Unbeirrt von den politischen Forderungen blieb er seinen vielschichtigen Aufgaben eines Arztes und Lehrers treu. Noch mehr: Es ist dokumentiert, wie S. mit medizinischen Tricks einen Juden vor der Deportation gerettet hatte (Nemetz, 2004, 34).
S. gehörte zu dem in Heidelberg bekannten Professorenstammtisch bei Alt-Hendesse, zusammen mit dem ähnlich eingestellten Chemiker Karl Freudenberg (s. dort), dem Historiker Fritz Ernst (1905-1963), ab 1943 auch mit dem Chirurgen K.H. Bauer (1899-1978). Nach dem Zusammenbruch konnten eben diese Professoren, da sie politisch unbelastet waren, sich aktiv an der Wiedereröffnung der Universität beteiligen.
S. war es auch, der bei der Wiederbelebung des Naturhistorisch-medizinischen Vereins zu Heidelberg mitwirkte und als sein erster Nachkriegsvorsitzender im Mai 1947 gewählt wurde. (Mitglied des Vereins war er seit 1935; im Juni 1936 hielt er dort den Vortrag "Geschichtliche Beiträge zur Entwicklung der Lehre von der Einteilung, Untersuchung und Behandlung der Syphilis").
In derselben Zeit nimmt S. den Vorschlag des Springer-Verlags an, bei der Wiederauflegung der dermatologischen Zeitschriften "Archiv" und "Zentralblatt" als Herausgeber zu wirken. Der erste Nachkriegsband des "Archivs für Dermatologie und Syphilis" wurde eröffnet mit einem Artikel S.s, wo er für die "Wiederanknüpfung an alte Überlieferungen einerfreien, unbeeinflussten, vorbehaltlosen Wissenschaft, die keine Landesgrenzen kennt" plädiert, "für eine sich anbahnende Zusammenarbeit aller derer, die willens sind, uneingeengt von tagespolitischen und chauvinistischen Strömungen, an dem Dom einer sich erneuernden Wissenschaft und damit an der Kultur ihrer Zeit mit zu bauen" (S., 1949, 6).
Nach seiner Emeritierung wirkte S. noch fünf Semester, bis zum Frühjahr 1959, als Vertreter seines Lehrstuhls. Danach widmete er sich teilweise der literarischen Tätigkeit, in erster Linie der Herausgabe des fundamentalen Handbuchs "Dermatologie und Venerologie" - wo er auch als Verfasser mitwirkte - hauptsächlich aber der Geschichte der Medizin. S. hatte Vorlesungen über Medizingeschichte gehalten und aktiv die Einrichtung eines selbständigen Lehrstuhls und Instituts für dieses Fach vorbereitet. Zum 575-jährigen Jubiläum der Universität wurde sein Plan mit Erfolg gekrönt. Die Berufung des professionellen Medizinhistorikers Schipperges (s. dort) auf diese neue Stelle ist das Verdienst S.s. Zudem schenkte S. seine reiche wertvolle Sammlung zur Medizingeschichte dem neuen Institut.
Von S. stammen insgesamt 360 thematisch sehr vielseitige Veröffentlichungen. Den Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Arbeit bilden venerologische Forschungen, in erster Linie über Syphilis, aber auch Gonorrhoe und Tripper. Sein 1919 publiziertes Werk über die Veränderungen der Rückenmarksflüssigkeit bei den Syphilitikern wurde während einiger Jahrzehnte als grundlegend betrachtet. S.s Forschungs- und klinische Arbeiten zur Diagnostik und medikamentösen Behandlung der Syphilis hielten Schritt mit der Entwicklung von immer neuen Mitteln von Salvarsan bis zu den Antibiotika. Überall beobachtete S. genauestens auch die Nebenwirkungen bei der Behandlung der Geschlechtskranken. Die letzteren bildeten den größten Teil der Patienten der Hautkliniken und -polikliniken während der Nachkriegszeiten - in den 20er, sowie in den späten 40er Jahren des 20. Jahrhunderts. Besonders die Jahre nach dem 2. Weltkrieg, als in S.s Klinik viele amerikanische Soldaten behandelt werden mussten, boten reichen Nährboden für seine Forschungen.
Kein Zufall, dass S. 1947 an die Spitze des Landes-Verbands der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten trat. Seine Tätigkeit hier war auf die Erziehungs- und Aufklärungsarbeit, besonders für junge Menschen gerichtet. Später wurde diese Arbeit durch seinen Sohn Jobst erfolgreich fortgesetzt.
Auch für die Dermatologie brachte S. bedeutende Beiträge. Zunächst, zu Anfang seiner beruflichen Laufbahn "stand die Dermatologie im Schatten der Venerologie" (S., 1964, 250). Trotzdem schrieb S. seine erste Arbeit in der Hautklinik eben auf diesem Gebiet, wobei er die damals neue, heute aber allgemein anerkannte Meinung aussprach, dass Psoriasis kein Symptom anderer Krankheiten, sondern eine besondere Hautkrankheit sei (1913). Nach dem 1. Weltkrieg vermehrten sich die Berufs- und Gewerbehautkrankheiten, die S. in Greifswald und später in Heidelberg insbesondere vom Standpunkt der Diagnostik mit Hilfe der serologischen Untersuchungen verfolgte. Als wichtig galten die durch S. beschriebenen Beobachtungen über Herpes Zoster (eine akute durch Reinfektion bedingte Hautkrankheit).
Seine wissenschaftlichen Ergebnisse brachte S. unverzüglich in seine Lehrtätigkeit ein. Als Lehrer richtete S. seine Bemühungen auf die Erziehung praktisch arbeitender Ärzten. Beim Unterricht benutzte S. seine außerordentlich reiche Sammlung von vortrefflichen Farbphotographien alltäglicher und seltener Erscheinungen der Haut- und Geschlechtskrankheiten in ihren Spielarten und in ihren Abläufen. Dies brachte den Studenten viel mehr, als das mit Worten möglich wäre. Seine Methode zeigte sich besonders erfolgreich bei der Erkennung der Syphilis, weil diese Krankheit zu selten geworden war, um reale Fälle bei den Vorlesungen demonstrieren zu können.
Aus der Schule S. sind acht Professoren hervorgegangen, aber die tatsächliche Anzahl seiner Schüler ist enorm dank seines Lehrbuchs, das als "ein Musterbeispiel kristallklarer überzeugender Darstellung" galt (Marchioni, 1953). S. selbst bearbeitete das Lehrbuch während zweier Jahrzehnte (1938-1959) bis er es "in jüngere Hände geben"sollte (S., Vorwort zur 9. Aufl.). Ein besonderes Verdienst S.s war es, den vom Berliner Dermatologen Walter Frieboes (1880-1945) begonnenen, aber nicht fertiggestellten "Atlas der Haut und Geschlechtskrankheiten" herausgebracht zu haben (1949). 1952 erschien die zweite, erheblich vermehrte Auflage - ein Beweis für die Notwendigkeit für Studenten und Ärzte. Auch der "Atlas" bildete ein Standardwerk, das später durch jüngere Kollegen fortgesetzt wurde.
Insgesamt gilt S. zurecht als einer der "Gründer der Dermatologie als eines neuen Fachgebiets" (Jaeger, 1968, 56).
Etwa ein Drittel von S.s Publikationen gehört zur Geschichte der Medizin, insbesondere der Dermatologie und Venerologie. Die Neigung zur Geschichte seines Fachs ist bereits in früheren Artikeln S.s auf dem Gebiet der Venerologie zu bemerken. In Greifswald schon publizierte er seine ersten rein medizinhistorischen Arbeiten. In Heidelberg entwickelte S. weitere Aktivität in dieser Richtung. Außer mehreren Monographien und Dutzenden Artikeln auf dem Gebiet der Geschichte der Medizin publizierte er in der "Dermatologischen Wochenschrift" regelmäßig unter der Rubrik "Gedenktage der Dermatologie" Artikel über bedeutende Ereignisse in der geschichtlichen Entwicklung der Dermatologie und Venerologie - insgesamt 43 Aufsätze binnen fünf Jahren. Viele von diesen sind echte Fundgruben für Wissenschaftshistoriker. Sie sind bisher nicht überholt. Zu einem Klassiker ist seine "Kurze Geschichte der Dermatologie und Venerologie" geworden (1954). Als Pionierleistung, auch für die ganze Wissenschaftsgeschichte, gilt das Erschließen des Themas "Frauen in der abendländischen Heilkunde" (1947). Die reich dokumentierte Monographie über Brandmarken und Tätowierungen, sowie Körperbemalen (1960) ragt als einmaliger Beitrag zur kulturellen Geschichte Europas heraus. Die große Sammlung S.s entsprechender Bilder (rund 1700) ist seit August 2010 in Greifswald ausgestellt.
S. starb sieben Wochen vor Vollendung seines 89. Lebensjahrs. Zu seinem langen schaffensreichen Leben passt sehr der Vers von Horaz, der über seinem Schreibtisch während all seiner Berufsjahre hing: Nil sine magno vita labore dedit mortalibus - Nichts hat das Leben ohne große Mühe den Sterblichen gewährt.
Q UA Würzburg: UWü ARS 814 (Personalakte S.) u. Auskunft vom 15.09.2011; UA Greifswald: Med. Fak., I-93 (Personalakten S.); K 180 (Akten des Kuratoriums); UA Heidelberg: H-III-565/1 (Akten d. Med. Fak. über die Berufung S.); PA 1166, PA 2987, PA 5751, PA 9490 (Personalakten S.); UB Heidelberg: Heid Hs 3442, 7 (Brief S.s).
W Verzeichnis in: H. Löhe, E. Langer (Hg.), Die Dermatologen deutscher Sprache, 1955, 293-296; Heidelberger Jahrbücher 12, 1968, 59-71; Nemetz, 2004 (s. L), 77-99. Auswahl:
Rhinitis hyperplastica oedematosa (Seifert), in: Zs. für Laryngologie, Rhinologie u. ihre Grenzgebiete 5, 1913, 299-318; Ist die Psoriasis ein Symptom chronischer Infektionskrankheiten (Tuberkulose, Syphilis)? In: Deutsche med. Wochenschrift 39, 1913, 1446f.; Die Untersuchung d. Rückenmarksflüssigkeit, ihre Methoden u. ihre Ergebnisse mit besonderer Berücksichtigung d. Syphilis, in: Archiv für Dermatologie u. Syphilis 127, 1919, 415-734; Versuche am Lebenden über den Übergang von Farbstoffen aus dem Blut in die Rückenmarksflüssigkeit u. über den Übergang von Arzneimitteln aus d. Rückenmarksflüssigkeit in das Blut, nebst Bemerkungen über die intralumbale Salvarsanbehandlung, ebd., 132, 1921, 162-177; Über Tuberkulin in d. Dermatologie, in: Zentralblatt Haut- u. Geschlechtskrankheiten 1, 1921, 265-276; Über die einzeitig [sic!] kombinierte intravenöse Quecksilbersalvarsanbehandlung d. Syphilis unter besonderer Berücksichtigung von Novasurol-Silbersalvarsanmischungen, in: Münchener med. Wochenschrift 58, 1921, 197-199; Die vorbeugende Salvarsanbehandlung, ebd., 59, 1922, 811-814; Über Geschlechtsverkehr unter Kindern u. durch diesen übertragene Geschlechtskrankheiten bei Kindern, in: Deutsche med. Wochenschrift 50, 1924, 841f.; Zur Geschichte d. Medizinischen Fakultät u. zur Entwicklung von Lehre u. Forschung in den Haut- u. Geschlechtskrankheiten an d. Universität Greifswald (Greifswalder Universitätsreden 23), 1929; Über den Morbus Dithmarsicus, insbesondere Pomeraniae Trans-Panensis, seine Geschichte, Verbreitung u. Bekämpfung, in: Strahlentherapie 35, 1930, 182-192; Die Rolle d. Serologie, besonders bei d. Erkennung von Syphilis u. Tripper durch den praktischen Arzt, in: Die Medizinische Welt 5, 1931, 1559-1562, 1597f.; Allgemeine Erkennung d. Syphilis, in: Leopold Arzt, Karl Zieler (Hg.), Die Haut- u. Geschlechtskrankheiten, Bd. IV, 1934, 73-144; Haut u. Schleimhäute bei Spätsyphilis, ebd., 279-348; Erkennung u. Untersuchung d. Syphilis, ebd., 647-674; Erkennung u. Untersuchung des Trippers beim Manne, spezifische Diagnose, ebd., Bd. V, 1935, 99-156; Lehrbuch d. Haut- u. Geschlechtskrankheiten, 1938, 21940, 31943, 41947, 51949, 61953, 71957, 81959, 91965 (fortgeführt von W. Schneider); Friedrich Wilhelm Felix von Baerensprung (1822-1864), in: Archiv für Dermatologie u. Syphilis 176, 1938, 579-594; Vorläufer d. heutigen Capillarmikroskopie, ebd., 178, 1939, 201-215; Capillarmikroskopie u. Capillarphotogramme d. äußern männlichen Geschlechtsteile, ebd., 276-293; Um die Entdeckung d. menschlichen Samenfaden, ebd., 358-372; Entwicklung u. Ergebnisse des Dermatogrammes in d. Dermatologie, ebd., 179, 1939, 339-359; D. "schwarze" u. d. "russische" Tripper, in: Dermatologische Wochenschrift 110,1940, 213-218; Johann Karl Proksch (1840-1923), d. Geschichtsschreiber d. Geschlechtskrankheiten am Ausgang des 19. Jahrhunderts, in: Archiv für Dermatologie u. Syphilis 181, 1941, 425-443; Die früher übliche innere Behandlung des Trippers, in: Dermatologische Wochenschrift 113, 1941, 761-766; Brandmarken u. Tätowierungen als Erkennungs- u. Strafzeichen bei europäischen Völkern, ebd., 1035-1044; Neuzeitliche Behandlung des Trippers u. das Versagen d. Sulfonamide, in: Deutsche med. Wochenschrift 71, 1946, 15-18; Frauen in d. abendländischen Heilkunde vom klassischen Altertum bis zum Ausgang des 19. Jahrhunderts, 1947; Beitrag d. allgemeinen Medizin in d. vorbakteriologischen Ära des 19. Jahrhunderts zum Aufbau d. Dermatologie, in: Medizinische Monatsschrift 1, 1947, 304-309; (mit J. Kimming) Sulfonamide u. Penicilline, 1948; Herausgeber u. Herausgeberschaft des Archivs für Dermatologie u. Syphilis ? ein Rück- u. Ausblick (1869-1947), in. Archiv für Dermatologie u. Syphilis 187, 1949, 1-6; Ergebnisse d. Dermatologie u. Venerologie in Deutschland in den Jahren 1939 bis 1946, in: Dermatologische Wochenschrift 120, 1949, 625-633; (mit W. Frieboes+) Atlas d. Haut- u. Geschlechtskrankheiten, 1949, 21955; Beitrag d. Naturwissenschaften u. d. allgemeinen Medizin zur Entwicklung d. Dermatologie in d. zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: Medizinische Monatsschrift 4, 1950, 47-50; Ärztinnennamen als Bezeichnung für Krankheitsbilder, Erreger, Teste, in: Deutsche med. Wochenschrift 78, 1953, 1077-1079; Über die Sprachverwilderung in wissenschaftlichen medizinischen Arbeiten, in: D. Hautarzt 5, 1954, 237f.; Kurze Geschichte d. Dermatologie u. Venerologie u. ihre kulturgeschichtliche Spiegelung, 1954; Körperbemalen. Brandmarken. Tätowieren. 1960; Aus d. Geschichte d. Heidelberger Medizinischen Fakultät bis zur Rekonstruktion d. Universität im Jahre 1803, in: Ruperto Carola, Sonderband, 1961, 337-376; Medizingeschichtliche Vorlesungen in Heidelberg im 19. U. 20. Jahrhundert bis zur Errichtung des planmäßigen Extraordinariats für Geschichte d. Medizin, in: Heidelberger Jahrbücher 5, 1961, 104-113; Zur Geschichte d. Dermatologie, d. Venerologie, d. Gewerbedermatosen, d. dermatologischen Kosmetik u. d. Andrologie im 19. u. 20. Jahrhundert, in: H. A. Gottron, W. S. (Hg.) Dermatologie u. Venerologie, Bd. I, Teil 1, 1961, 1-41; Allgemeine klinische Dermatologie, ebd., Teil 2,1962, 745-828; Erlebte Geschichte d. Venerologie u. Dermatologie, in: D. Hautarzt 15, 1964, 245-251; Mitherausgeber: (mit H. A. Gottron): Dermatologie u. Venerologie, 5 Bde., 1958-1965; (mit G. A. Rost u. a.): "Archiv für Dermatologie u. Syphilis" (seit 1955 "Archiv für klinische u. experimentelle Dermatologie") 1948-1970; (mit G. A. Rost): "Zentralblatt für Haut- u. Geschlechtskrankheiten" 1949-1971.
L W. U. Eckart, S., W., in: NDB 23,2007, 409f; W. Richter, S., in: H. Loeschke, A. Ternbrüggen (Hg.), 100 Jahre Medizinische Forschung in Greifswald, 1938, 288f. (B); W. Leipold, W. S. zum 65. Geburtstag, in: Dermatologische Wochenschrift 127, 1953, 458f.; J. Kimmig, W. S. zum 65. Geburtstag, in: D. Hautarzt 4, 1953, 239f. (B); W. Leipold, W. S. zum 70. Geburtstag, ebd., 9, 1958, 238f. (B); A. Grether, W. S.. zur Vollendung des siebten Jahrzehntes am 15. Mai 1958, in: Deutsche med. Wochenschrift 83, 1958, 889 (B); A. Greither, W. S. zum 70. Geburtstag, in: Dermatologische Wochenschrift 137, 1958, 466f.; P. Zierz, W. S. zum 75. Geburtstag, ebd., 147, 1963, 505-508 (B); J. Hamel, W. S. 75 Jahre alt, in D. Hautarzt 14, 1963, 239 (B); H. Gartmann, W. S. zum 80. Geburtstag, in: ebd., 19,1968, 238f.(B); W. Jaeger, W. S. zum achtzigsten Geburtstag, in: Heidelberger Jahrbücher 12, 1968, 56-59 (B); A. Greither, In Memoriam W. S. (1888-1977), in: D. Hautarzt 28, 1977, 504f.; H. Schipperges, W. S. (1888-1977) u. seine Verdienste als Medizinhistoriker, in: D. Hautarzt 31, 1980, 441-443 (B); H. Schipperges, W. S. 100 Jahre, ebd., 40, 1989, 37-39 (B); M. Pambor, Zum 100. Geburtstag W. S.s: Sein Wirken an d. Universitäts-Hautklinik Greifswald (1920-1935) als erster Ordinarius für Dermatologie u. Venerologie, in: Dermatologische Monatsschrift 1989, 175, 49-54 (B); Christa Nemetz, W. S. u. die Geschichte d. Hautklinik Heidelberg von 1935-1959. Leben u. Werk, Diss. Med., Univ. Heidelberg, 2004 (W, B); Lexikon Greifswalder Hochschullehrer 1775 bis 2006, Bd. 3, 2004, 211; W. U. Eckart, V. Sellin, E. Wolgast (Hg.) Die Universität Heidelberg im Nationalsozialismus, 2006, 796-804; D. Drüll, Heidelberger Gelehrtenlexikon 1933-1986, 2009, 563f..
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