Holluta, Josef, Chemiker

28.8.1895, Brünn (heute Brno, Tschechien), rk., + 25.5.1973, Günzburg

 

V Johan, Beamter.

M Emilie, geb. Riegler.

G ?.

oo 27.03.1926 (Brünn) Rose, geb. Wacht (1895-1997) [sic!].

K keine

 

1901-1912                                   Volks- u. Oberrealschule bis Abitur in Brünn

1912-1919                                  Studium an d. Chem.-techn. Fakultät d. TH

                                                      Brünn   

                                                            

1915 III -1918 IX.                         Kriegsdienst als Leutnant der Reserve d.    

                                                      österr.-ungar. Armee

1918-1925                                   Assistent am Institut für anorganische,        

                                                      physikalische u.analytische Chemie d. TH Brünn; 1919                                             Diplomprüfung  mit Auszeichnung

1925                                             Dr. techn.: "Reaktionsmechanismus d.                                                       Permanganatreduktion"; Habilitation in physikal.                                                       Chemie: "Reaktionsmechanismus d.

                                                      Permanganat- u. Manganatreduktion u. seine

                                                      chem. Grundlagen"; Habilitationsvortrag (Herbst

                                                     1924) "Über die Dynamik u. Energetik der

                                                      Kohlensäureassimilation"

1942 IV. 1                                    o. Professor und Institutsdirektor für physikalische                                                      Chemie ebd.

1945 IV.                                       Vertreibung aus Brünn nach Österreich

1946 V.                                       Ausweisung nach Deutschland

1950 VI. 1                                   Direktor d. Staatl. Chemisch-technischen

                                                     Prüfungs- u. Versuchsanstalt d. TH Karlsruhe

1951 VII. 24                                Honorarprofessor für Chemische Technologie des                                                      Wassers d. TH Karlsruhe

1956 XI. 6                                   o. Professor für Wasserchemie

1965 VII.                                      Ende der Lehrtätigkeit.

 

 

Die ersten 50 Jahre seines Lebens verbrachte H. in seiner Heimatstadt Brünn (ehemals Österrech-Ungarn, heute Brno, Tschechien), seiner menschlichen und wissenschaftlichen Heimat. Informationen über diesen Teil seines Lebens sind äußerst karg. Als Sohn eines Privatbeamten geboren besuchte er dort die Volks-, danach die Oberrealschule, die er 1912 nach mit Auszeichnung bestandenem Abitur abschloss. Anschließend immatrikulierte er an der chemisch-technischen Fakultät der TH seines Heimatorts.

 

Der I. Weltkrieg unterbrach sein Studium: Im März 1915 wurde H. zur österreichisch-ungarischen Armee eingezogen. Wahrscheinlich war sein Kriegsdienst als Leutnant der Reserve nicht besonders hart, zumindest konnte er während eines Studienurlaubs 1916 die I. Staatsprüfung an der TH Brünn ablegen. Im Oktober 1918 erhielt er dort auch eine Assistentenstelle; sein mehrjähriger Chef und späterer Doktorvater war Professor Karl Frenzel (1871-1945), ein erfahrener Chemiker mit Interesse für die physikalische Chemie. Zunächst fungierte H. als Assistent in den analytisch-chemische Übungen, dann auch in den Vorlesungen. Ab 1921, nach der Promotion zum Dr. techn., übernahm er die selbständige Leitung der physikalisch-chemischen Übungen. Gleichzeitig intensivierte er die Arbeiten über den sehr komplizierten Stufen-Reaktionsmechanismus der Permanganatreduktion, dem er seine Dissertation gewidmet hatte. Aus diesen Ergebnissen entstand seine Habilitationsschrift, die er 1923 vorlegte. Diese bis 1930 fortgesetzten Arbeiten wurden noch in den 1980er Jahren in der Fachliteratur zitiert. Bis 1934 las H. dann über verschiedene Fragen der physikalischen Chemie, insbesondere über Photochemie (ab 1931). 1934 wurde er zum "Honorardozent" befördert. Seine Fächer waren Chemische Technologie und speziell Chemische Technologie des Wassers. Untersuchungsergebnisse über Wasserquellen in Mähren trug H. im Naturforschenden Verein in Brünn vor, dessen aktives Mitglied er war; zwei Jahre, 1934 und 1935 gehörte H. zum Ausschuss des Vereins.

 

In diese Zeit fielen die wichtigsten seiner Bücher - über die technischen Anwendungen der physikalischen Chemie (1934) und "Die Chemie und chemische Technologie des Wassers" (1937), die seine akademische Laufbahn in Deutschland später nachhaltig beeinflussen sollten. Nach der Emeritierung von K. Frenzel wurde H. - inzwischen war Böhmen und Mähren deutsches Protektorat! - zum 1. April 1939 mit der Vertretung des Lehrstuhls für physikalische Chemie und der Leitung des Physikalisch-chemischen Instituts betraut und drei Jahre später zum o. Professor und Institutsdirektor ernannt.

 

1945 wurde die TH kriegsbedingt geschlossen und H. gezwungen, noch vor der Massenvertreibung der Deutschen aus Brünn, Ende April zusammen mit seiner Frau die Heimat zu verlassen. Er wollte nach Innsbruck, kam aber nur bis Salzburg. Dort schlug er sich, "auf Verdienst angewiesen", als Patentingenieur und Chemiker durch (Über Erfahrung im Patentwesen verfügte er schon früher: in den zwanziger und dreißiger Jahren wurden sechs seiner angewandtenchemischen Arbeiten patentiert).

 

Bekannte Wiener Physikochemiker, die Professoren L. Ebert und G.-M. Schwab, bescheinigten H. "das beste Ansehen ... als vorzüglicher Wissenschaftler, als erfahrener Kenner vieler Zweige der technischen Chemie und als Mensch". Er zähle zu den hervorragendsten Vertretern der österreichischen Schule der Reaktionskinetik und physikalisch-chemisch ausgerichteten analytischen Chemie, dennoch wurde er als Deutscher im Mai 1946 aus Österreich verwiesen.

 

So kam er nach Ettlingen. Bis H. Direktor der Chemisch-technischen Prüfungs- und Versuchsanstalt an der TH Karlsruhe wurde, durchlebte er wieder eine vor allem materiell unsichere Lebensphase. Ab Juli 1947 führte er kommissarisch verschiedene Lehrveranstaltungen in der technischen Chemie an der TH Karlsruhe durch, ab 1948 leitete er die neu begründete Abteilung für Wasserforschung und Wassertechnologie, im August 1951 wurde er dann Honorarprofessor mit dem Lehrauftrag "Technologie des Wassers und technische Anwendungen der physikalischen Chemie".

 

Nahezu aus den Nichts heraus musste er anfangen, fast ohne nennenswertes Inventar und ohne eigene Räume. Erst nach 15 Jahren zäher Bemühungen, in denen er als Forscher, Lehrer und Organisator wirkte, war das Fach Wasserchemie an der TH gefestigt. Wichtigste Stationen: 1950 die ersten eigenen Räume für die Wasserabteilung im Keller- und im Erdgeschoss der wiederaufgebauten alten Versuchsgasanstalt im Gebäude des Gaswerkes Ost in Karlsruhe, 1956 die Gründung des ersten  Lehrstuhl für Wasserchemie in der Bundesrepublik, schließlich der Institutsneubau, den die Abteilung im November 1962 bezog. Nun konnten auch Arbeiten in kleintechnischem Maßstab ausgeführt werden.

 

Die wissenschaftliche Arbeit freilich hatte bereits 1950 eingesetzt: Diplomarbeiten und Dissertationen waren in Angriff genommen worden. Es gab kaum ein Spezialgebiet der Wasserchemie und -technologie, auf dem H. mit seinen Schülern nicht gearbeitet hat. Ihre Bemühungen fanden in etwa 90 Berichten, Dissertationen und Diplomarbeiten ihren Niederschlag. Insbesondere war die Messung der Radioaktivität von Wassern eine der wichtigsten Forschungsrichtungen (mit Unterstützung des Bundesministeriums für Atomkernenergie). Der zweite Schwerpunkt betraf Gewässerverschmutzung mit Geruchs- und Geschmacksstoffen. H.s Untersuchungen, wie auch seine stets wiederholten Mahnungen und seine konkreten Vorschläge haben entscheidend dazu beigetragen, dass damals die Verschmutzungsgefahren, insbesondere durch Mineralölprodukte rechtzeitig erkannt und bekämpft worden sind.

 

Für H. blieben Grundlagenforschung, Technologie und Weiterbildung der Fachleute immer eine Einheit. Eine seiner wichtigen Leistungen war die Errichtung der Karlsruher "Wasserkurse", Fortbildungskurse für Wasserwerksleiter und Wasserwerksingenieure. Diese bereits 1949 begonnenen Kurse erlangten  internationalen Ruf und wurden auch nach H.s Tod fortgeführt, wobei sie H.s ursprünglichen Konzept entsprachen.

Daneben arbeitete H. intensiv in mehreren Ausschüssen des Deutschen Vereins für das Gas- und Wasserfach (DVGW) wie auch in zahlreichen anderen Fachausschüssen mit. Er gehörte auch der Kommission "Radioaktive Substanzen und Wasser" an und wurde in die Strahlenschutzkommission des Bundesministeriums für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft berufen. H.s ehrenamtliche organisatorische Leistungen, die viele Mühe kosteten, blieben nur engen Kreisen von Fachleuten bekannt, umso mehr, als er in seiner Bescheidenheit niemals selbst im Mittelpunkt stand, sondern die zu lösende Aufgabe.

 

Nach seiner Emeritierung vertrat H. seinen Lehrstuhl noch zwei Jahre lang. Als er schließlich in den Ruhestand ging, zog er mit seiner Frau nach Günzburg, Bayern, pflegte aber die Beziehungen zur TH Karlsruhe weiter. Fast 100 Veröffentlichungen in anorganischer, analytischer, physikalischer und angewandter Chemie stammen aus seiner Feder, in erster Linie aber ging er als Pionier des Wasserfachs in die Wissenschaftsgeschichte ein; diesem Bereich war etwa Hälfte seiner Publikationen gewidmet, und seine Bemühungen sicherten die Wasserchemie als eigenständiges Fach.

 

Q UA Karlsruhe 3/1, Nr. 36; UB Karlsruhe VE 1015; StadtA Ettlingen, Auskunft.

 

W Über eine neue Methode zur maßanalytischen Bestimmung des Nickels, Monatshefte für Chemie, 40, 1919, 281-291; Der Reaktionsmechanismus d. Permanganatreduktion u. seine physikalisch-chemischen Grundlagen, Zs. für physikal. Chem. 101, 1922, 34-53 u. 489-497, ebd. 102, 32-39 u. 276-297; ebd. 106, 1923, 276-294 u. 324-340; ebd. 107, 333-346; ebd. 113, 1924, 464-481; ebd. 115, 1925, 137-142; Die neueren Anschauungen über die Dynamik und Energetik der Kohlensäureassimilation. Ein Beitrag zur Theorie d. Photosynthese, 1926; Die techn. Anwendungen d. physikal. Chemie, 1934; Die Chemie u. chemische Technologie des Wassers, 1937; Geruchs- u. Geschmacksbeeinträchtigung des Trinkwassers - Ursachen u. Bekämpfung, Gas- u. Wasserfach 101, 1960, 1018-1023 u. 1070-1076; Die Belastbarkeit eines Vorfluters mit radioaktiven Abwässern, ebd. 103, 1962, 1237-1238; Die Abteilung für Wasserchemie am Institut für Gastechnik, Feuerungstechnik u. Wasserchemie an d. TH Karlsruhe, ebd. 104, 1963, 209-212; Das Ozon in d. Wasserchemie, ebd., 1261-1271; (mit I. Brune) Untersuchungen über die Mineralöllast des Niederrheins u. deren Herkunft, 1963; Zur Geschichte d. Chemie u. Technologie des Wassers, Veröff. d. Abteilung u. des Lehrstuhls für Wasserchemie, H. 4, 1969, 1-23.

 

L Poggendorfs Biogr.-literar. Handwörterbuch, Bd. VI, 1937, 1146-1147, ebd. Bd. VIIa, T. 2, 1958, 536 (mit Bibliographie); Gas- u. Wasserfach 98, 1957, 52 (mit B); ebd. 101, 1960, 980 (mit B); ebd. 102, 1961, Berichte, 34; W. Buchs, J. H., ebd. 106, 1003 f.; ebd. 114, 1973, 399.

 

B UA Karlsruhe; s L; Gas- u. Wasserfach 102, 1961, Berichte, 35; ebd., 104, 1963, 209