FischerFranz Josef Emil, Chemiker
geb. 19.03.1877 in Freiburg i.B., kath., + 1.12.1947 in München
 

Eine etwas verkürzte Version wurde in den "Badischen Biographien, Neue Folge", Bd. V (2005), S. 75-77  publiziert.

 

 

V Emil Johann F. (1848-1922?), Kaufmann 
M Emma, geb. Stenz (1856-1912) 
Emil F. (1879-1932); Elisabeth Johanna, verh. Werner (1883-1951) 
oo 24.01.1915 in Müllheim a. d. Ruhr Erna Weuste (1893-1944) 
K Hans Ulrich F. (1915-1936); Gisela Herta Emma Olga F., verh. Rohde (1917-1994); Hellmut F. (1920-1954)

 

1896 VII                                      Abschluss des Berthold-Gymnasiums in Freiburg 
1896 X - 1897 IX                       Militärdienst (5. badischer Infanterie Reg. Nr. 113

                                                    in Freiburg) 
1897 X - 1901 III                       Studien in Univ. und TH München, Univ. Freiburg, 
                                                    Univ. Gießen; L'école pharmaceutique Paris, Univ. 
                                                    Leipzig, Univ. Berlin 
1899 XII                                     Promotion zum Dr. phil. an d. Univ. Gießen; 
                                                   Inaugural-Dissertation "Zur Elektrolyse der 
                                                   Schwefelsäure mit Bleianoden" 
1901 VII -1902 VII                    Versuchschemiker in der Fabrik Bühne & Cie,

                                                   Freiburg 
1902 X -1904 V                       Assistent am physikalisch-chemischen Instituts 
                                                   der Univ. Freiburg 
1903 XI 24                                Habilitation ebd.; Habilitationsschrift: "Beiträge 
                                                   zur Kenntnis des anodischen Verhaltens von Kupfer 
                                                   und Aluminium" 
1904 X 1                                   Assistent am Chem. Institut d. Univ. Berlin 
1905 VII 20                               Privatdozent ebd. Zusätzliche Habilitationsschrift: 
                                                  "Die chemische Übertragbarkeit der 

                                                   Metallpotentiale und der chemische Lösungsdruck

                                                  der Metalle" 
1908 XII 17                               a.o. Professor ebd. 
1909 VIII 23                              Abteilungsvorsteher ebd. 
1911 IV 1                                  o. Prof. für Elektrochemie, TH Berlin 
1913 IV 1                                  Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für 
                                                   Kohlenforschung, Mülheim a. d. Ruhr 
1925 III-VI                                 die erste Reise nach die U.S.A. 
1929 I                                        Reise nach Moskau 
1938 I-II                                     Reise nach Südafrika 
1943 IV                                     Pensionierung, Umzug nach München 
1944 VII 11                               Ausbombung des Hauses Fischers in München 
1945 II 25                                 Ausbombung des gemietenen Hauses

 

 

F. entstammte einer kaufmännischen Familie, zeigte aber keine Neigung zum väterlichem Beruf, dagegen ein frühes Interesse für die Naturwissenschaften. Schon als Schüler besaß er ein kleines Hauslaboratorium. In seinem Gymnasialabschluss hatte F. die besten Noten in Physik und Chemie, "die anderen Noten, so F., waren nicht erhebend". Bereits in der Schule hatte F. sein künftiges Gebiet ausgewählt und zwar die Elektrochemie.

Seine Studienjahre waren von intensiver zielstrebiger Arbeit erfüllt. So bemühte er sich, in seiner einjährigen Militärzeit, Vorlesungen über Physik an der Universität zu besuchen. Später wechselte er die Hochschulen, um den besten Weg zu finden. Im WS 1896/97 und SS 1897 war er in Freiburg immatrikuliert, die nächsten beiden Semester an der Univ. München, wobei er, um keine Zeit zu verlieren, seine praktischen Arbeiten in der Chemie im Laboratorium der TH durchführte. Zu Weihnachten 1898 bestand F. das Verbandsexamen und im Januar 1899 ging er nach Gießen, um seine Promotionsarbeit in der Elektrochemie unter Prof. K. Elbs vorzubereiten. F. arbeitete "mit Feuereifer" und erledigte seine Dissertation in wenigen Monaten.

Als Anerkennung für diese "Expresspromotion" gestatten die Eltern noch ein Semester in Paris (bei H. Moissan); im August 1900 besuchte F. einen Ferienkurs "Methoden des physikalisch-chemischen Praktikums" in Leipzig und während des WS 1900/01 arbeitete er als unbezahlter Assistent über die Elektrochemie der Schmelzen im chemischen Institut von Emil Fischer zu Berlin.

 

Seine berufliche Tätigkeit begann F. in einer Freiburger Fabrik, begriff aber bald, dass eine wissenschaftliche Karriere für ihn besser sei und wechselte an die Universität seiner Heimatstadt. Obwohl er sich erfolgreich habilitierte, waren die Forschungsmöglichkeiten nicht befriedigend. Im Herbst 1904 kehrte F. nach Berlin zurück: Emil Fischer bot ihm eine Assistentenstelle in der anorganischen Abteilung. Bald habilitierte sich F. um, wobei der Gutachter, W. Nernst "den allerbesten Eindruck" von F.'s Arbeiten und dessen mündlichen Ausführungen bekam. 1908 wurde F. zum Professor und 1909 zum Vorsteher der Abteilung ernannt. Seine damaligen Arbeiten beziehen sich auf anorganische thermische Reaktionen, insbesondere unter Druck.


Im Frühjahr 1911 erfolgte seine Berufung als o. Professor für Elektrochemie an die TH Berlin-Charlottenburg, wo er Vorlesungen über reine und technische Elektrochemie hielt und das Lehrbuch "Praktikum der Elektrochemie" herausgab.


F.'s Lebenswerk sollte aber nicht mit einer Hochschule, sondern mit einem Forschungsinstitut verbunden werden: E. Fischer initiierte die Regierungsentscheidung, das Kaiser-Wilhelm-Institut für Kohlenforschung im Ruhrgebiet zu errichten; den Direktorposten bot er F. an. Das Institut wurde nach F.'s Plan gebaut und eingerichtet, wobei seine Grundidee war, die Elektrizitätserzeugung direkt aus Kohle oder Wärme, also mit Brennstoff- oder Thermoelementen zu erreichen. Die Geschichte Deutschlands entwickelte sich aber so, dass sich F. nie dieser "Lieblingsabsicht" zuwenden konnte. Die Einweihung des Instituts fiel auf den 27.Juli 1914. Weniger Tage später musste F. als Landwehr-Offizier bei seinem Regiment einrücken, zuerst nach Königsberg, dann nach Polen.

Im Oktober 1914 wurde er vom Kriegsministerium beauftragt, das Institut weiterzuführen und vor allem die Schmieröl-, Treiböl- und Benzingewinnung aus Kohle zu fördern und zwar "auf einfachsten Wege und unverzüglich" auszuprobieren. 

 

Nach dem Krieg dachte F. "hier sobald wie möglich wegzukommen... Ich möchte nicht, schrieb er an seinen Mentor E. Fischer, noch einmal fünf Jahre im Kampf gegen den Mülheimer Stumpfsinn meine Kräfte verbrauchen". Schließlich blieb F. jedoch und ging seinen Direktorenweg weiter. Nun konnten F. und seine Mitarbeiter Versuche über Treibstoffsynthesen auf lange Sicht beginnen. Als wichtigster Weg ergab sich die katalytische Hydrierung des Kohlenmonoxids (CO). 1922-1924 entwickelte F. zusammen mit H. Tropsch und H. Pichler den "Synthol-Prozess", der einen Treibstoff (Mischung von sauerstoffhaltigen organischen Verbindungen) ergab. 1925 erschien die erste Modifikation der berühmten "Fischer-Tropsch-Synthese" - die Gewinnung aliphatischer Kohlwasserstoffe aus CO und Han einem Kobaltkatalysator. Als Höhepunkt einer langen Reihe von Forschungen kam Juli 1937 die "Mitteldrucksynthese an Eisenkatalysatoren" - eine Klasse von Verfahren, die unter den CO+H2 -Synthesen bis heute am wichtigsten bleibt. Weltweit bekam die Fischer-Tropsch-Synthese enorme Bedeutung, besonders nach dem 2. Weltkrieg. 
Die "Fischer-Ära" des Instituts in Mülheim ist in 13 Bände der "Gesammelten Abhandlungen zur Kenntnis der Kohle" zusammenfasst, die die Behauptung erlauben, dass Fischer eine wissenschaftliche Schule der Brennstoffchemie schuf. Dazu begründete und gab er seit 1920 die Zeitschrift "Brennstoffchemie" heraus. Als Direktor war er allen ein Vorbild der Pflichterfüllung und Korrektheit. 
1943, nach 30 Jahren, pensionierte sich F. und zog nach München um, wo seine Frau seit 1941 wohnte. Kriegsumstände verhinderten, wie beabsichtigt, Vorlesungen an der TH München zu halten; seine Zeit füllte F. mit der Verfassung seiner Lebenserinnerungen aus. Er stand alle Unbilden und Entbehrungen der Jahren 1944-45 durch und hatte große Freude, die weltweite Anerkennung seiner wissenschaftlichen Leistungen zu erleben, danach aber starb nach kurzer Krankheit.


F.'s Name ist wohl durch sein Verfahren verewigt. Allerdings stellt diese Leistung alle seine anderen Arbeitsergebnisse in den Schatten. Die Liste seiner Werke zählt 437 Publikationen und 71 patentierte Erfindungen, unter denen die Experimentalarbeiten über die elektrochemischen Reaktionen in Gasen von Bedeutung für die Entwicklung der Gaselektrochemie waren. In der Geschichte der Wissenschaft überlebt auch seine Lignintheorie der Kohlenentstehung.


Ein "erfinderischer Kopf" und "sehr gewandter Experimentator" (so Emil Fischer), war F. eine schöpferische Natur und unermüdlicher Arbeiter. Charakteristisch für ihn war sein Hobby, das Auto, an dessen technischen Einrichtungen, besonders mit synthetischen Benzinen und Schmierölen F. mit Vorliebe experimentierte. 
Politisch war F. national gesinnt. 1932 wurde er beeindruckt durch Hitlers Vortrag über Wirtschaftsfragen. Im Mai 1933 trat er der NDSAP bei, was seinen Einstellungen nicht widersrach; wahrscheinlich wollte er auch die Position des Instituts sichern. Später war er aber von der Wirklichkeit des Dritten Reichs "zutiefst enttäuscht" und wollte keineswegs alle Anweisungen widerspruchlos ausführen. So widerstand er jeder Bevormundung in politischer Hinsicht energisch: Für ihn waren nur die fachlichen Leistungen und die menschlichen Qualitäten ausschlaggebend. 
Seine Kinder schrieben: "Sein Leben war der Wissenschaft gewidmet und nur seine geistige Arbeit ließ ihn die Schwere seines Schicksals tragen".


Q StadtA Mannheim (Auskünfte); StadtA Freiburg (Auskunft); UA Giessen (Phil Prom Nr. 115); UA Freiburg (B24 Nr. 793; B38 Nr. 373; B15 Nr. 1587); UA Berlin (Phil. Fak., Nr. 1227, Bl. 93-100; Nr. 1438, Bl. 87, 136, 187a; Nr. 1439, Bl. 15-16); Technische U Berlin, HochschulA (Auskunft); StadtA Mülheim/Ruhr (Auskunft); Standesamt Mülheim/Ruhr (Auskunft); A zur Geschichte d. Max-Planck-Ges. (Auskunft); Gemeinde Bad Wiessee (Auskunft); StadtA München (Auskunft); Einwohnermeldeamt München (Auskünfte).

 

W Praktikum der Elektrochemie, Berlin, 1912; Ueber die Mineralölgewinnung bei der Distillation und Vergasung der Steinkohle, Berlin, 1918; Ueber den Stand der Kohlenforschung unter besonderer Berücksichtigung der Distillaton bei niedriger Temperatur, Halle, 1919; Die Umwandlung der Kohle in Öle, Berlin, 1924; Gesamte Abhandlungen zur Kenntnis der Kohle (Hrsg.), 1-12, 1921 ; Leben und Forschung, Ibid. 13 (1957), 1001-1090.

 

Poggendorff, Biographisch-literarisches Handwörterbuch, V (1922), 369, VI (1936) 747-748, VIIa, Teil 2, (1958) 47-48; Reichshandbuch der deutschen Gesellschaft, Berlin, 1931, 1, 442-443 (B); K. Peters, Die Benzinsynthese von Franz Fischer und Tropsch, Umschau, 1935, 39, 86-90 (B); Jb. d. Dt. Akad. d. Luftfahrtforschung, 1937/1938, 1, 62, 200-210 (mit Bibliographie); Gesamte Abhandlungen zur Kenntnis der Kohle, 13 (1957), 977-992 (B); H. Pichler, Franz Fischer, 1877-1947, Chem. Berichte, 1967, 100, Nr. 6, CXXVII-CLIV (B, Bibliographie); Manfred Rasch, Geschichte des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Kohlenforschung 1913-1943, Weinheim, 1989 (Bilder); Derselbe, Franz Fischer (1879-1947): Leben und Wirken, Zs. des Geschichtsvereins Müllheim a. d. Ruhr, 1998, Heft 70, S. 86-128 (Bilder).

 

B -s. L