Engelhorn, Johann Friedrich August, chemischer Unternehmer  

*23.11.1855, Mannheim, ev. + 3.01.1911 Mannheim 

 

Eine etwas verkürzte Version wurde in den "Badischen Biographien, Neue Folge", Bd. V (2005), S. 66-67  publiziert.

 

V Friedrich Engelhorn (1821-1902), chemischer Industrieller 
Marie E. geb. Brüstling (1825-1902)

 

G 2 Brüder und 7 Schwester: Maria Christina, verh. Schilling von Canstatt (1848-1936); Anna Maria Magdalena, verh. Ziegler (1849-1915);Margaretha Bertha, verh. Reiß (1851-1878); Caroline Elise Gabriele (1853-1920); Emma Christine, verh. Hübsch (1854-1911); Hans Robert E. (1856-1944); Martha,verh. Schmige (1858-1946); Ludwig (Louis) E. (1859-1930); Marie Antoinette Laura, verh. von Hausmann (1861-1955).

 

oo 26.09.1885 in Mannheim Marie Friederika Joerger (1866-1953)

 

K Fritz Carl E. (1886-1956); Hans Robert E. (1888-1960); 
Curt Maria E. (1889-1958); Rudolf Conrad Ernst E. (1892-1945)

 

 

1.10.1865 - 8.7.1873               Besuch des Karl-Friedrich-Gymnasiums Mannheim 
1873 X - 1876 VII                     Studium Chemie an der TH Karlsruhe 
1876 X 31-1879 VII 5              Studium Chemie an der Univ. Straßburg 
1879 X -1880 IX                       Militärdienst bei der 4. Escadron, 2. Pferde-

                                                   Ulanen-Regiment zu Berlin 
1880 X 1-1883 V 1                  Chemiker bei der BASF, Ludwigshafen 
1883 XI 25                                Eintritt "C.F Boehringer & Soehne", Mannheim 
1883 XII                                     Teilinhaber der Firma ebd. 
1889                                          Einrichtung eines chemischen Hauptlaboratoriums 
1892 IX                                     Alleininhaber und Leiter der Firma 
1901                                          Mitglied der Handelskammer zu Mannheim 
1902                                          Mitglied des Stadtrats in Mannheim als Vertreter 
                                                   der national-liberalen Partei 
1902                                          Vorsitzender des Aufsichtsrats an der Mannheimer 
                                                   Gummi-, Guttapercha- und Asbest-Fabrik AG 
1903-1906                                Organisation der Interessengemeinschaft der

                                                   Firmen Boehringer & Soehne, Merck, Knoll und

                                                   Gehe & Co 
Ende 1906                                Begründer und 1. Vorsitzender des "Allgemeinen 
                                                   Arbeitgeberverbands Mannheim-Ludwigshafen" 
                                                   und des "Verbandes von Arbeitgebern der 
                                                   chemischen Industrie Mannheim-Ludwigshafen" 
1908                                          Vorstand des Allgemeinen Fabrikanten-Vereins 
                                                   (Verband Mannheim) 
1909 III 15                                  Ernennung zum Kommerzienrat

 


Friedrich Engelhorn jr., der älteste Sohn des bekannten Mitbegründers der BASF, war zusammen mit neun Geschwister unter den strengen Prinzipien des Pflichtgefühles und Arbeitsfleißes erzogen. Er musste das Gymnasium zu Mannheim besuchen, die klassische Bildung entsprach aber den Neigungen des Jungen offensichtlich nicht. Wie in Unterlagen einer Schulkonferenz stand: "Bei rühmlichem Fleiss sind die Leistungen kaum genügend". In der Unter-Quinta blieb E. für zwei Schuljahre - das zweite als "Repetant" und so beendete er seine Schulbildung. Immerhin hatte er die Möglichkeit, an der TH Karlsruhe zu immatrikulieren um Chemie zu studieren. Nach einem Zeugnis des Chemieprofessors K. Birnbaum, hat "Bei sehr regelmäßigen Fleiß und großer Ausdauer ... Herr Engelhorn bei seinen Studien einen recht guten Erfolg erzielt". Das Chemie-Studium setzte E. an der Universität Straßburg fort, wo seit 1876 der begeisterte Organiker R. Fittig dozierte. Unter Fittig erarbeitete E. seine Inaugural-Dissertation über Metacryl- und einige andere ungesättigte Säuren. Es ist interessant, dass er hier an den ersten Erforschungen der Polymerisation dieser Substanzen teilnahm. E. promovierte zum Dr. phil. cum laude, und publizierte einen Artikel über einen Teil seiner Dissertation, damit aber war seine wissenschaftliche Tätigkeit beendet.


Mit Eifer erfüllte er seinen Militärdienst (er hatte dazu eine besondere Neigung, erhielt 1891 den Rang eines Premier-Leutnant der Reserve und war Mitglied des Krieger-Vereins zu Mannheim, dessen erster Zweck war die "Erhaltung der Erinnerung an die für Deutschland ewig denkwürdigen Jahre 1866 und 1870-71").

 

1880 tritt E. als Chemiker in des Vaters Unternehmen ein. Wie im Vertrag stand, sollte er nur bei der Schwefelproduktion arbeiten, später aber, ohne Zweifel durch sein Vaters Unterstützung, "lernte [er] der Reihe nach die verschiedenste Fabrikationen kennen", so ein Dokument der BASF. Als E. 1883 in England war und eine Weltreise beabsichtigte, rief ihn der Vater zurück: Die Firma "C.F. Boehringer & Soehne" brauchte dringend einen Industriechemiker, der dem Firmainhaber Kaufmann Ernst Boehringer zur Seite stehen konnte. E. senior hatte 1 Mio. Mark für den Sohn eingezahlt, um ihn zum gleichberechtigten Mitbesitzer der Firma zu machen.


Ende 1883 begann die unternehmerische Tätigkeit E.'s. Er verstand, dass die wesentliche Erweiterung des Assortiments für das Überleben der Firma, die damals grundsätzlich eine Chininfabrik war, durchaus notwendig war und dass solche Erweiterung allein durch die entsprechenden chemischen Forschungen möglich würde. Also richtete er allererst ein Zentrales Forschungslaboratorium ein, zunächst mit wenigen Chemikern.


Nach dem unerwarteten Tod von Ernst Boehringer wurde E. zum Alleininhaber und Leiter der Firma. Er konzentrierte sich ausschließlich auf organisatorische Aufgaben und setzte leistungsfähige Mitarbeiter in verantwortungsvollen Positionen ein; er schuf einen Stab von interessierten Fachleuten, von denen er viel verlangen konnte. So krönte sich die Arbeit von Fr. und L. Ach, Schüler Emil Fischers, mit der industriellen Herstellung des synthetischen Koffeins. E. organisierte auch die pharmakologische Prüfung neuer Mittel, was dank seiner Kontakten mit dem Altmeister dieses Fachs, Professor O. Schmiedeberg in Straßburg, möglich wurde. Gleichzeitig begann Ed. Köbner, einer der bedeutendesten Mitarbeitern E.'s ("ein sehr gescheidter Mensch u. obwohl Jud, ein in jeder Beziehung respektabler Mensch",- schrieb über ihn E. an seiner Frau) die Vermittlung der Fortschritte der Forschungen an die Ärzte. Während der Jahre unter E.'s Leitung prosperierte die Firma und wurde zu einem weltbedeutenden Forschungsunternehmen in der Herstellung der Arzneimittel; so, bekam sie mehr als 700 Patente im In- und Ausland.


Als Leiter hatte E. ausführliche Regeln für das ganze "Leben" des Unternehmens ausgearbeitet, einschließlich der Arbeitsdisziplin (man musste arbeiten von 6 bis 18 mit Pausen von 8 bis 8.30 und von 12 bis 13), der Sicherungsmaßnahmen, insbesondere für die Apparate, welche höherem Druck ausgesetzt waren, Registrierung des Verbrauchs aller Substanzen und Materialien usw., aber auch die Regel über das kostenlose Waschen (mit heißem Wasser) der Mitarbeiter und ihrer Familien. Während einer Grippenepidemie wurde Chininlösung kostenlos verteilt - selbstverständlich, nach entsprechender Instruktion. E. verlangte pedantisch, dass alle Regeln pünktlich durchgeführt werden sollen. Zielstriebig und konsequent kam er morgens als erster in die Fabrik und als letzter verließ er sie abends. Bezüglich seiner Firma hatte er eine paternalische Einstellung und konnte nicht verstehen und annehmen, dass der Staat in der Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer intervenieren kann.


Als energischer und erfolgreicher Unternehmer wurde E. zum Anfang des 20. Jhs. an sehr einflussreicher Mann in der Stadt Mannheim, besonders nach dem Tod seines Vaters, dessen Erbe er steuern und zwischen zahlreichen Nachkommen verteilen musste. Er baute für seine Familie eine prachtvolle Villa (1903-1904) und nahm aktiv teil am wirtschaftlichen Leben der Stadt, insbesondere als Vorsitzender oder Mitglied des Aufsichtsrates 10 verschiedenen Unternehmen, wo sein klarer Blick für die wirtschaftlichen Verhältnisse sehr geschätzt wurde. Als Mitglied der national-liberalen Partei war er Sprecher seiner Partei in allen Fragen der Wirtschaft im Stadtrat und in Mannheimer Bürgerausschuss. Für die Sozialdemokratie war er ein erklärter Feind und für Verteidigung der Interessen seiner Klasse begründete er zwei Verbände der Arbeitgebers, an deren Spitze er bis zu seinem Tod stand. "Er war uns ein offener, ehrlicher Gegner", so eine sozialdemokratische Zeitung.


Im Jahre 1897 erfuhr E., dass er an einer ernsten Herzkrankheit litt, arbeitete aber ebenso enorm intensiv, wie früher - er konnte nicht anders! - und schrieb seitdem an seine Frau rührende Briefe - Testamentsverfügungen bezüglich des Geschäfts, der Erziehung der Söhne ("Strebt vorwärts, vorwärts! dass der Name Engelhorn noch einen hohen edlen Klang bekomme, den ich im Jenseits wohl befriedigt u. erfreut hören werde" wandte er sich an die Söhne) und wieder über das Geschäft. Die Erfüllung seiner Pflichten war für ihn das höchste. Seine letzten Verfügungen sind vom 29. Nov. 1910 datiert. Bald darauf starb dieser markante Mann nach achttägiger Krankenlager an Herzinfarkt.

 


StadtA Mannheim (12/1982, Nr.65; 4/77, Nr. 55, 68, 69, 70; S1/4799); 
Unternehmensarchiv der BASF (W1, Engelhorn; C-623); Unternehmensarchiv 
Boehringer-Mannheim [heute Roche-Mannheim] (Materialien des Engelhorn-Museums und vom Archivar, Hrn. Egon Dietz).

 

 

W Beiträge zur Kenntnis ungesättigter Säuren. Inaugural-Dissertation. Straßburg, 1879; Zur Kenntniss der Methakrylsäure, Liebigs Ann. 1880, Bd.200, S.65-74.

 

 

Kommerzienrat Dr. Fr. E.+. General Anzeiger (Mannheim), 3.Jan. 1911; 
Volksstimme, 5. Jan. 1911; C. Liebermann. F.E.+. Ber. Dt. Chem. Ges. 1911, Bd.44, S. 170; E. Köbner, F. E. +, Zs. angew. Chem., 1911, Jg. 24, S. 229-231; Fl. Waldeck. Alte Mannheimer Familien. 6. Teil, Mannheim, 1925; Anonym [Verfasst durch Eduard Köbner] C.F. Boehringer & Soehne G.m.b.H. Mannheim-Waldhof: 1859-1934; Euler, Friedrich Wilh.: Die Familie Engelhorn in Mannheim. Vorfahren und Nachkommen des Gründers der BASF: Kommerzienrat Friedrich Engelhorn (1821-1902), 1986; Fischer, Ernst Peter: Wissenschaft für den Markt: Die Geschichte des forschenden Unternehmens Boehringer Mannheim, München 1991; Möllmer, Tobias: Die Villa Engelhorn in Mannheim, Mannheim, 2012; Parzer, Sebastian, Dr. Friedrich Engelhorn. Ein Mannheimer Unternehmer im Kaiserreich, 2018.

 

 

B Im Nachruf von E. Köbner und in Bücher von F.W. Euler und von E. P. Fischer (s. L); Portrait im Öl von Otto Propheter, 1908, bei der Verwaltung der Firma Boehringer [jetzt Roche]-Mannheim; eine Reihe Photos im Engelhorn-Museum ebd.