BunteHans Hugo Christian, Chemiker, Altmeister des Gasfachs

 

* 25.12.1848 Wunsiedel (Oberfranken), ev., + 17.8.1925 Karlsruhe
 

Eine etwas verkürzte Version wurde in den "Badischen Biographien, Neue Folge", Bd. V (2005), S. 35-37  publiziert.

 

 

 

 

 

 
 

 

Carl David Bunte (1802-1871) Advokat, Rechtsanwalt 
M Fanny (Maria Franziska) Geiger (1811-1893) 
G Hans Hugu Wilhelm (1841-1842); Emma Louise Fanny verh. Wirth (1842-?); Maria Crescentia (1845-1928); Anna Auguste, verh. Schlumberger (1846-?)

 

oo 26.03.1877 Wilhemine (Minna) geb. Stölzel (1855-1937) 
K Karl B. (1878-1944); Elisabeth B. (1883-190?); Luise B., verw. Schmidt, verh. Weiß (1890-?)

 

 

1859-1863                                   4-klassige Lateinschule in Wunsiedel 
1863-1865                                   Gewerbeschule in Erlangen 
1865 X-1867 IV                           Studien am Polytechnikum Stuttgart 
1867 V-IX                                     Studium der Chemie an der Univ. Heidelberg 
1867 XI -1869 VII                        Studium der Chemie und Promotion an der Univ.

                                                      Erlangen. Diss.: "Über Harnstoff und

                                                      Harnstoffderivate" 
1869 XI -1872 IX                         Assistent am chemischen Laboratorium der TH

                                                      München 
1872 X 1-1884 X 1                     Privat-Dozent ebd. 
1874 VII-1920 XII                        Mitarbeiter, ab I. 1876 Herausgeber des

                                                      "Journals für Gasbeleuchtung" (bis XII.1883

                                                      zusammen mit N. H. Schilling) 
1882 VI-1883 VI                         Vorsitzender des deutschen Vereins der Gas- und 
                                                      Wasserfachmänner (DVGW) 
1885-1909                                   Generalsekretär des DVGW 
1887 IX 1                                      o. Professor für die chemische Technologie an

                                                       der TH Karlsruhe 
1891                                              Hofrat 
1899                                              Geheimer Hofrat 
1903 XI-1913 XI                           Abgeordneter zur Ersten Kammer des

                                                       Badischen Landtags 
1907 VI 10                                    Eröffnung der Lehr- und Versuchsgasanstalt des

                                                       DVGW 
1910                                              Geheimer Rat II. Klasse 
1919 X 1                                       Emeritierung

 


B.'s Einstellung zur Technik wurde geprägt durch Eindrücke der Kindheit: Seine Mutter besaß eine Ziegel- und Glasperlenhütte; sein Vater hatte großes Interesse für alle Fragen der Naturwissenschaft und Technik. In der Lateinschule erhielt B. immer die Note "gut", besondere "Lobungen" bekam er aber für Singen und Zeichnen. Zur weiteren Ausbildung schickte ihn sein Vater nach Erlangen in die Gewerbeschule, wo sein Jugendfreund Reinsen Direktor war. Dieser führte B. in das chemische Laboratorium ein und weckte sein Interesse für die Chemie. Als B. nach der Schulausbildung an die TH Stuttgart kam, schwankte er jedoch zwischen Chemie und Technik.

Der vielseitige Chemiker H.v. Fehling, damals Chemieprofessor in Stuttgart, beseitigte diese Unsicherheit: B. ergriff das Chemiestudium. Nach drei Semestern ging B. zu Bunsen und Erlenmeyer an die Univ. Heidelberg, konnte dort aber nur ein Sommersemester studieren. Wegen schwerer Erkrankung seines Vaters verlangte die Familie, dass er näher beim Elternhaus bleibe. So musste B. sein Studium nach Erlangen verlegen, wo er unter dem Organiker E.V. Gorup-Besanez mit selbstgewähltem Thema summa cum laude promovierte. 

 

Danach hätte er eine gute Lehrerstelle in der Heimatstadt bekommen können, wählte aber eine kaum bezahlte Assistentenposition an der TH München bei seinem früheren Lehrer E. Erlenmeyer. Nach drei Jahren, unterbrochen durch freiwillige Teilnahme am Deutsch-Französischen Krieg als Sanitäter des ersten Bayerischen Sanitätszugs, konnte B. habilitieren. Seine Habilitationsschrift widmete er der durch ihn aufgefundenen Schwefelverbindung (C2H5S-SO3Na). So wurde eine neue Gruppe von Verbindungen entdeckt, die bis heute unter dem Namen "Bunte-Salze" von Bedeutung für die synthetische und angewandte organische Chemie ist.

Bereits als Assistent sollte B. Vorlesungen über analytische Chemie halten; er behielt den Kursus lange Jahre bei. "Daher,- so B. im Alter,- meine sehr gründliche Kenntnis der analytischen, allgemeinen und anorganischen Chemie". 

 

N.H. Schilling, der Begründer und Herausgeber des "Journals für Gasbeleuchtung" und Direktor der Gasbeleuchtungs-Gesellschaft in München, begriff, dass er die Unterstützung von Seiten der Chemie brauche und gewann B. zunächst für ein "Probejahr" als Mitarbeiter bei seiner Zeitschrift. Der neue Bereich erwies sich für B. faszinierend: Hier konnte er sein Interesse für Chemie und Technik zusammenbringen und verschmelzen. Die "hervorragende Persönlichkeit" von Schilling (B.) begünstigte dies. So ergab sich, "dass das einjährige Provisorium [sich] zu einem dauernden Verhältnis zwischen Schilling und mir gestaltete", erinnerte sich B. später. 1875 tritt B. dem Deutschen Verein von Gas- und Wasserfachmännern (DVGW) bei und begann auch experimentelle Arbeiten, später als "Leiter für den chemischen Teil der Heizversuchsstation".


Die wichtigste von zahlreichen Arbeiten, die B. für den DVGW durchgeführt hatte, sind: 1) Die erstmalige Untersuchung des Verfahrens der Gaserzeugung unter chemischer Kontrolle, was dank eines durch B. erfundenen einfachen Geräts (die berühmte "Buntsche Bürette") ermöglicht wurde; 2) Die erstmalige zuverlässige Bestimmung von Heizwerten verschiedener Kohlensorten und die Festlegung der "Verbandformel" über die Beziehung von chemischer Zusammensetzung und Heizwert von Kohlen; 3) Erfindung und Bau des "Münchenschen Ofens", d.h. des Gasgenerators mit Luftvorwärmung (durch Wärmeaustausch zwischen Luft und Abgas) und mit "nassem Betrieb", so dass es sich außer Kohlenmonoxid viel Wasserstoff bildete; dieser Generator, damals der vollkommenste der Welt, diente für lange Zeit als Vorbild für die Ingenieure. Mit diesen (und anderen) Arbeiten B.'s wurde aber gleichzeitig mehr getan: Die wissenschaftlichen Grundlagen der Heiztechnik und der Gasindustrie wurden geschaffen, die Hauptfaktoren, die den Bau und Betrieb von Generatoren bestimmen, wurden entdeckt und erklärt.

 

 

Seine neuen Kenntnisse und Erfahrungen brachte B. auch in die TH München ein. Nicht ohne Stolz schrieb er später, dass seine "Vorlesungen über Teerfarben, Brennstoffe, Feuerungen und Gasanalyse" "wohl die ersten an deutschen Hochschulen" seien. Seine Bemühungen blieben aber ohne Anerkennung, das ursprünglich "ganz ideale" Verhältnis zu Erlenmeyer (B.) existierte nicht mehr, und 1884 schied B. ohne Bedauern aus der TH, um sich ausschließlich der Gasindustrie zu widmen. Damals war er bereits die maßgebende Autorität im Gasfach und als Generalsekretär und alleiniger Herausgeber der Zeitschrift des DVGW stand er an der Spitze der intensiven wissenschaftlich-technischen Entwicklung in der deutschen Gasindustrie.

Im Zusammenhang mit der Schmierölthematik hatte C. Engler B. kennengelernt und wurde so beeindruckt, dass er später die Berufung B.'s auf den Lehrstuhl der technischen Chemie an der TH Karlsruhe bewirkte.


Die Münchener Periode war entscheidend für den wissenschaftlichen Werdegang B.'s und seine größten wissenschaftlichen Errungenschaften, aber auch für sein privates Leben.(Er heiratete eine Tochter seines älteren Kollegen an der TH, des Metallurgieprofessors K. Stölzel; hier waren seine Kinder geboren.) In Karlsruhe dagegen entfaltete sich B. als Hochschullehrer und Organisator. 
Als Professor führte B. neue Gesichtspunkte in den Unterricht ein: Er hob die wirtschaftliche Seite der chemischen Technik hervor, zum erstenmal gab er den Chemiestudierenden Einblicke in die wirtschaftlichen Zusammenhänge. Außerdem drängte B. auf die Ausbildung der Chemiker in maschinenbautechnischen Fächern, um ihre Zusammenarbeit mit fachfremden Spezialisten wirkungsvoller zu gestalten. Wichtiges Verdienst B.'s an der TH war auch, dass er Arbeiten in der physikalischen Chemie und Elektrochemie in seinem Institut in Gang brachte. (Sein bedeutendster Mitarbeiter war hier F. Haber).


Wie schon seine Antrittsvorlesung zeigte, blieb B. dem Gasfach treu. Das äußerte sich nicht nur in den neu eingeführten Gegenständen (Gastechnik, Feuerungstechnik, Brennstoffe), sondern in seiner organisatorischen Tätigkeit. B. behielt für sich die Stellen des Generalsekretär und des Herausgebers des Gasjournals (was eine Voraussetzung seines Übergangs aus München war) und bemühte sich zielstrebig, in seinem Institut das Gasfach zu entwickeln und zu fördern. Hier ist allererst die seltene, ja vielleicht einzigartig enge Verbindung von Wissenschaft, Technik und Ausbildung der Fachleute charakteristisch. 
1899 führte B. einen "Feriengaskursus" für die Gasigenieure ein, um den Praktikern die neuesten wissenschaftlichen Fortschritte durch Vorträge und Übungen bekannt zu machen. Bis 1918 hatte B. sechzehn solche Kurse geleitet. Das durch B. für diesen Zweck verfasste Lehrbuch "Zum Gaskursus" (1903) aktualisierte er bis 1921.


Viele seiner ehemaligen Schüler und Mitarbeiter bekamen von B. bei den verschiedenen Anlassen manche wertvollen Denkanstöße, die sich später fruchtbar zeigten. Als ein bisher unbekanntes Beispiel solch wenig auffälliger Tätigkeit B.'s sei hier nur die wichtige Forschung von F. Haber (1906) über die vagabundierenden Ströme, die Gasleitungen beschädigten, genannt: Sie wurde durch B. angeregt.


Höhepunkt der fruchtbaren organisatorischen Tätigkeit B.'s für die technisch-wissenschaftliche Gemeinschaftsarbeit wurde die Begründung der Lehr- und Versuchsgasanstalt (später "Gasinstitut" genannt) des DVGW bei der TH Karlsruhe - ein großes Ereignis für die ganze Gasindustrie Deutschlands, das nur dank mehrjähriger zäher Bemühungen von B. verwirklicht werden konnte. So wurde Karlsruhe durch B. zum Mittelpunkt der wissenschaftlich-technischen Forschung auf dem Gebiet der Gas- Brennstoff- und Feuerungstechnik. 
Obwohl dem Gasfach verschrieben, fand B. Zeit auch für andere Aktivitäten. Im Lehrjahre 1896/97 fungierte er als Rektor; im Wintersemester 1900/01 hielt er Vorträge über die "Gewinnung der Metalle" im Verein Volksbildung Karlsruhe. Zusammen mit Engler trug er viel dazu bei, dass die TH's mit den Universitäten gleichgestellt wurden und das Promotionsrecht bekamen. Während 10 Jahre vertrat B. seine TH in der Ersten Kammer des Badischen Landtags.

 

 

Immer zurückhaltend, wurde B. noch verschlossener nach dem frühzeitigen Tod der Tochter Elisabeth. Der verlorene Krieg war für ihn eine kaum erträgliche Prüfung. Er hatte noch Zeit und Glück, seine Arbeit an seinen Sohn zu übergeben.

 

B. publizierte ca. 110 Aufsätze, unter denen es keine zufälligen gibt. Wie seine gesamte Tätigkeit, entsprechen sie seinem Motto: "Die wissenschaftliche Durchdringung der Praxis". Als Altmeister des Gasfachs, Pionier der wissenschaftlich begründeten chemischen Technik und der modernen Schulung der Chemieingenieure, als hervorragender Organisator der Wechselwirkung zwischen Wissenschaft und Technik, behält H.B. für immer einen Ehrenplatz in deren Geschichte.

 


StadtA Wunsiedel (Infomaterial); UA Heidelberg (Matrikel); UA Erlangen (Auskunft); A von TU München (Auskunft); GLA Karlsruhe (235/1856; 466/6176); UA Karlsruhe (O/1/49; Kl. Erw. 14); UB Karlsruhe (93 A 5078; III A 873; IV A 418; IV A 7288; IV A 7311; IV A 8869; V A 6132)

 

 

Über äthylaldehydschwefligsaure Salze und die Einwirkung des schwefligsauren Natrons auf Aethylidenchlorür, Ann. Chem. Pharm., 1873, 170, 305-330; Studien über die Reinigung des Leuchtgases, J. f. Gasbeleuchtung, 1877, 20, 25-35; Einfache Gasbürette zur qualitativen und quantitativen Untersuchung von Gasmengen, ebd., 447-450; Über die gasanalytische Bestimmung des Wasserstoffs, ebd., 1878, 21, 263-266; Versuche über die Leistungsfähigkeit der Cokegeneratoren unter verschiedenen Zugverhältnissen, ebd., 1878, 21, 355-358, 386-395, 421-437, 1879, 22, 110-124, 147-154, 274-287, 312-322, 346-355, 375-383; Bericht der Heizversuchsstation München über die Versuche 1 bis 76: ausgeführt vom 13. Januar bis 16 Juli 1879, München, 1879, 202 S.; Die Bedeutung der Luftvorwärmung für die Gasfeuerung, J. f. Gasbeleuchtung, 1880, 23, 432-436; Die elektrische Beleuchtung auf der Ausstellung in Paris, ebd., 1881, 24, 635-641, 676-686, 707-718; Die Münchener Generator-Oefen (mit N. H. Schilling), ebd., 1882, 25, 727-732; Rückschau, ebd., 1883, 26, 431-434; Chemische Untersuchungen in Gasanstalten, ebd., 1888, 31, 858-868, 894-900; Zur Wertbestimmung der Kohle, ebd., 1891, 34, 21-26, 41-47, 108-114, 1892, 35, 149-150; Heizstoffe, in: Muspratt's-Stohmahn's Theoretische, praktische und analytische Chemie, Bd. IV (1892), 250-323; Wissenschaftliche Forschung und chemische Technik, Rektoratrede, Karlsruhe, 1896; Über die neuere Entwickelung der Flammenbeleuchtung, Ber. Dt. Chem. Ges., 1898, 31, 5-25; Zum Gaskursus: Leitsätze aus dem chemisch-physikalischen Teil des Unterrichtes in Gas-Chemie und Anleitung zu den praktischen Übungen beim Ferienkursus für Gasingenieure, München, 1903; Untersuchung von Gaskohlen durch die Lehr- und Versuchsanstalt des Vereins, J. f. Gasbeleuchtung, 1909, 52, 725-730,745-755; Fortschritte der Gaserzeugung und Gasverwendung, ebd., 1911, 54, 469-476; 1914+1915, ebd., 1915, 58, 1-2; Die wirtschaftliche Lage der Gasindustrie vom chemischen Punkte aus, ebd., 1918, 61, 397-402; Über die Bildung von Eisenpentakarbonyl bei der Verwendung von Steinkohlengas zur Beleuchtung von Eisenbahnwagen und ihre Verhütung (mit E. Terres), Gas- und Wasserfach, 1922, 65, 145-147.

 

 

Poggendorfs biogr.-liter. Handwörterbuch, Bd. III (1898), 215, Bd. IV (1904), 205-206, Bd. VI, 1. T. (1936), 369-370; Bd. VIIa, Suppl. (1971), 126 (mit Bibliographie); A. Sander, H. B. zum siebzigsten Geburtstag, Chem. Ztg., 1918, 42, 621-622; G. Keppeler, H. B. zum Gedächtnis, Zs. angew. Chem., 1925, 38, 977-980 (B); P. Eitner, H. B. (1848-1925), Verhandl. d. Naturwiss. Vereins in Karlsruhe, 30 (1924/1926), S. XXVII-XXXVI (B); R. Jokisch, K. Bunte u.a., Geheimer Rat Professor Dr. Dr.-Ing. e.h. H. B.+, Gas- und Wasserfach, 1925, 68, 603-606; C. Matschoss, H. B.+, Zs. d. Vereins dt. Ing. 1925, 69, 1442-1443 (B); E. Terres, Zum 100. Geburtstag von H. B., Festrede, Karlsruhe, 1950 (B); Joh. Körting, Geschichte des Gasinstituts, Karlsruhe, 1957; Joh. Körting, Geschichte der deutschen Gasindustrie, Essen, 1963 (B).

 

 

B S. L; Gas- und Wasserfach, 1921, 64, 1; Baden, 1950, 2, Heft 4, S. 24; Flachrelief (von A. Walter, 1926) im Inst. Chem. Technik, Univ. Karlsruhe